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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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gestanden, daß sie mit einem Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft schon seit einiger Zeit ein Verhältnis hat. Der ganze Prozeß ist geplatzt, das Verfahren als unzulässig zurückgewiesen worden. Colin ist ein freier Mann.«
    »Was?!«
    »Frag nicht so dumm! Du hast mich genau verstanden. Morgen früh kommt er raus. Ich bin hergekommen, um zu feiern.« Sie hob ein Champagnerglas. »Ich hoffe, es stört dich nicht«, sagte sie. »Ich habe mich gleich selbst bedient.«
    Ich wankte ins Haus zurück. »Nein, das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein.« Ich rannte ins Schlafzimmer. »Larry, wach auf! Es ist was Entsetzliches geschehen.« Ich packte ihn bei der Schulter und schüttelte ihn. »Larry, bitte wach auf. Colin Friendly ist frei. Er kommt morgen aus dem Gefängnis.«
    Larry drehte sich unter der Decke herum. Er atmete tief, schob
die Decke weg, setzte sich im Bett auf. »Gott, bist du süß! Wie die erste Erdbeere im Frühjahr«, sagte Colin Friendly, und seine Hand griff nach meiner Kehle.
    Ich schrie. Oder zumindest glaubte ich, es zu tun. Wahrscheinlich war es ein lautloser Schrei, denn Larry erwachte nicht. Friedlich lag er da und schlief ungestört weiter, während ich weinend neben ihm saß und schweißnaß am ganzen Körper keuchend um Atem rang. Verzweifelt versuchte ich, zwischen den Alpträumen meines nächtlichen Schlafs und denen meiner täglichen Existenz zu unterscheiden.
    »Larry, bist du wach?« flüsterte ich. Ich brauchte jetzt den Trost seiner Umarmung.
    Aber entweder hörte er mich nicht, oder er gab vor, mich nicht zu hören. Ich legte mich wieder hin, so kalt und allein, als läge ich in meinem Grab und wartete auf den Morgen.

18
    »Jetzt erklär mir noch mal, wer diese Leute sind und warum wir mit ihnen zum Essen gehen«, sagte Larry, als wir auf den großen Parkplatz fuhren, der zu Prezzo’s gehörte, einem italienischen Schickeria-Restaurant. Der Parkplatz war voll, und in der Nähe des Restaurants gab es keine Lücken. Wir fuhren langsam an den geparkten Autos entlang und hielten nach einem freien Platz Ausschau. Es regnete leicht.
    »Robert und Brandi Crowe«, sagte ich. »Ich kenne ihn noch aus Pittsburgh.«
    »Richtig.« Larry nickte, doch sein Ton war uninteressiert. »Und du hast ihn zufällig im Gericht wiedergetroffen.«
    »Richtig«, bestätigte ich. »Da ist einer.« Ich wies auf ein Auto, das gerade ausparkte.
    »Und was ist der Anlaß zu diesem Essen?«
    »Muß es denn einen Anlaß geben?«

    Larry parkte ein und schaltete den Motor aus. Der Regen hatte sich mittlerweile verstärkt. Wir hatten keinen Schirm mitgenommen.
    »Ich hätte dich wahrscheinlich besser vor dem Restaurant aussteigen lassen sollen«, sagte er.
    »Zu spät.«
    »Ich kann ja zurückfahren.« Er ließ den Motor wieder an.
    »Sei nicht albern«, sagte ich. »Ein bißchen Regen bringt mich nicht um.«
    »Wenn du meinst«, sagte er.
    »Ja, ich meine.«
    Fast alle unsere Gespräche waren in den letzten Wochen so verlaufen. Die lächerlichsten, belanglosesten Dinge wurden mit übertriebener, unnatürlicher Höflichkeit behandelt. Beiderseitiges vorsichtiges Wassertreten. Man sagte gerade so viel, daß man verstanden wurde, und vermied peinlich jedes Wort, das falsch aufgefaßt werden konnte.
    »Wir sollten vielleicht ein bißchen warten«, meinte er.
    »Ja.« Ich starrte durch die Windschutzscheibe in den Regen hinaus. Er würde nicht lang dauern. Wenn es in Florida regnete, goß es meistens in Strömen, aber die Wolkenbrüche waren schnell vorbei. Genau wie ein Liebesabenteuer, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, dachte ich in Gedanken an Robert, und die Frage schoß mir durch den Kopf, ob er und seine Frau sich ähnlich gefangen fühlten, ob auch sie wortlos in ihrem Auto saßen und durch die Windschutzscheibe starrten, während sie auf das Nachlassen des Regens warteten, um der Enge ihres Wagens, ihres gemeinsamen Lebens entfliehen zu können.
    Nirgends fühlt man sich einsamer als in einer unglücklichen Ehe, dachte ich und fragte mich dann, wann ich angefangen hatte, meine Ehe als unglücklich zu empfinden. Ich warf einen Blick auf meinen Mann, in der Hoffnung, den Schimmer eines Lächelns in seinem Gesicht zu sehen, ein Zeichen des Trosts, einen Hoffnungsstrahl, der unsere Zukunft erleuchtete, aber er hatte den Kopf zurückgelehnt und die Augen geschlossen.

    Wir haben schon früher schwierige Zeiten durchgestanden, sagte ich mir: die Monate nach Saras Geburt, als das Kind uns mit

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