Am Seidenen Faden
bei mir. Das letzte Mal, als ich nahe daran gewesen war, mit Robert zu weit zu gehen, hatte die Polizei eingegriffen, diesmal würde wohl kaum die Kavallerie eingreifen, um mich vor einem Fehltritt zu bewahren.
Larry ließ den Motor an. »Ich setz dich jetzt vor dem Restaurant ab.«
»Aber dann verlieren wir unseren Parkplatz.«
»Vielleicht finden wir einen, der näher ist.«
So war es. Wir fanden direkt vor dem Restaurant einen freien Platz.
»Jetzt sag mir noch mal, wie diese Leute heißen«, bat Larry, als wir die schwere Glastür des Restaurants aufstießen.
»Robert und Brandi Crowe.« Mein Blick huschte nervös durch den lauten, menschengefüllten Raum.
»Und du kennst sie aus der High-School.«
»Ich kenne ihn «, rief ich, um den Lärm zu übertönen. Dann entdeckte ich Robert in einer Nische auf der anderen Seite des Saals. Er war aufgestanden und winkte. »Da sind sie.«
Wir bahnten uns einen Weg durch die Leute vor der Bar, die normalerweise den Mittelpunkt des großen, gut erleuchteten Raums bildete, heute abend jedoch fast verschwunden war hinter der Menge wohlgepflegter, wohlgebräunter Menschen, die
sich davor drängten und einander an Witzigkeit und Spritzigkeit zu übertreffen suchten. Ich bemerkte drei Blondinen in beinahe gleichen knallengen roten Kleidern, eine Brünette in einem smaragdgrünen Pulli, eine Rothaarige in Schwarz, mit tiefem Ausschnitt und weißen Overknee-Stiefeln. Die Männer trugen teuren goldenen Schmuck unter Seidenhemden in unterschiedlichsten Farben und schwarze Hosen, als wären sie alle Schüler derselben exklusiven Privatschule. »Wer hat dir erlaubt, mich mit so einem Lächeln anzusehen?« hörte ich einen Mann fragen, als ich vorüberging, aber ich drehte mich nicht nach ihm um. Ich wußte, daß er nicht mich gemeint hatte.
Robert erwartete uns, die Hand zum Gruß ausgestreckt. Hinter ihm war ein großes rotes Poster mit weißen Nudeln, die sich geschmeidig um eine Gabel schlangen. »Sie müssen Larry sein. Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen. Kate ist ein großer Fan von Ihnen«, sagte er. Er mußte fast brüllen, um sich Gehör zu verschaffen.
Larry lächelte, schüttelte Robert die Hand und brüllte zurück: »Sie hat mir erzählt, daß Sie einander aus der High-School kennen.«
»Das ist richtig.«
Larry und ich rutschten auf die in Grün und Beige gepolsterte Bank, Robert und Brandi gegenüber.
»Larry, das ist meine Frau Brandi.«
»Es freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Larry.
»Ganz meinerseits«, erwiderte Brandi und sah dann mich an. »Das ist ja die reinste Sintflut da draußen.«
Im ersten Moment glaubte ich, sie spräche von der Menschenmenge, dann begriff ich, daß sie das Wetter meinte, und strich mir über das Haar, um die letzten Regentropfen wegzuwischen.
»Wir haben im Auto gewartet, weil wir hofften, es würde aufhören.«
»Ich glaube nicht, daß das vor morgen früh aufhört«, meinte Brandi.
Wir unterhalten uns tatsächlich über das Wetter, dachte ich und mied Roberts Blick, indem ich mich auf seine Frau konzentrierte. Ein gelbes Valentino-Modell statt des pinkfarbenen Chanelkostüms, die Augen jedoch wie beim Mittagessen mit blauem Lidschatten getönt, offensichtlich ihre persönliche Note. Das schwarze Haar war aus dem Gesicht gebürstet und wurde von einem schwarzen, perlenbestickten Reif zurückgehalten. Sie versuchte, zehn Jahre jünger auszusehen, als sie war, und sah als Folge davon zehn Jahre älter aus. Traurig, dachte ich und hoffte, ich beging nicht den gleichen Fehler.
»Du siehst blendend aus«, sagte Robert, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich neigte mich über die Speisekarte und dankte ihm, ohne aufzusehen. Ich hatte bereits jede Einzelheit seiner Erscheinung registriert, als ich ihn von der Tür aus gesehen hatte: die braune Hose, das helle, beigefarbene Hemd, das Haar, das ihm lässig in die Stirn fiel, das wunderbare Lächeln. »Wer hat dir erlaubt, mich mit so einem Lächeln anzusehen?«
In diesem Moment wurde mir klar, daß ich keine Ahnung hatte, wie mein Mann gekleidet war. Schuldbewußt warf ich einen Blick auf ihn. Larry trug ein altes, dunkelgrünes, geblümtes Hemd, das mir immer sehr gut gefallen hatte, jetzt aber eher trist wirkte, sogar eine Spur schäbig. Sein lichter werdendes Haar schien schütterer als sonst, und seine Stirn war rot und schälte sich an einigen Stellen, Folge von zuviel Golf und zuwenig Sonnenschutzmittel. Dennoch war er ein gutaussehender Mann. Ich wünschte,
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