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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Robert. »Wir stehen noch ganz am Anfang. Wir haben noch nicht einmal mit den Vertragsverhandlungen begonnen.«
    »Soll ich mir einen Agenten nehmen?« scherzte ich.
    »Oho!« sagte Brandi und lachte. Wieder legte sie ihrem Mann den Arm um die Schultern. »Ich hab so das Gefühl, daß du dir da ganz schön was aufgeladen hast.«
     
    »Geh bloß nicht mit dem Kerl ins Bett«, sagte Larry. Sein Ton war ruhig und gemessen, sein Zorn direkt und gezügelt.
    »Was? Was redest du da?«
    »Das möcht ich gern von dir wissen«, versetzte Larry, als wir in den Wagen stiegen. Der strömende Regen hatte nachgelassen, aber es nieselte immer noch leicht.
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
    »Schläfst du mit ihm?«
    »Was?«
    »Du hast mich genau verstanden.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein.«

    »Hört sich’s etwa an, als ob ich Witze mache?«
    »Du glaubst im Ernst, daß ich mit Robert Crowe schlafe?«
    »Und? Tust du’s?«
    »Nein, natürlich nicht. Wie kommst du denn darauf?«
    »Das mußt schon du mir sagen.«
    »Es gibt nichts zu sagen.«
    »Das ist also nur irgendein Kerl, den du zufällig von der High-School kennst«, sagte Larry.
    »Ja.«
    »Dem du ganz zufällig eines Tages bei Gericht begegnet bist.«
    »Ja.«
    »Und dem ganz zufällig ein Radiosender gehört.«
    »Der Sender gehört dem Vater seiner Frau …«
    »Und der dir sofort eine eigene Sendung anbietet. Einfach so. Aus heiterem Himmel«, fuhr er fort, überhaupt nicht interessiert an meinen Erklärungen.
    »Mehr oder weniger.«
    »Wieviel mehr?«
    »Was?«
    »Was für einen Grund kann er haben, dir eine eigene Sendung anzubieten? Du hast keine Erfahrung. Er hat dich seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen. Worauf hat der Kerl es wirklich abgesehen?«
    »Du bist beleidigend«, sagte ich und war tatsächlich beleidigt.
    »Ich bin jedenfalls kein Idiot«, versetzte Larry.
    »Dann hör auf, dich wie einer zu benehmen.« Meine Stimme zitterte. Ich hätte allerdings nicht sagen können, ob aus Entrüstung oder Schuldgefühl. War ich wirklich so durchsichtig? Und machte es mich schon schuldig, nur an eine Affäre gedacht zu haben? Vielleicht gehörte ich ins Staatsgefängnis nach Starke wie Colin Friendly.
    Larry ließ den Motor an, und wir fuhren nach Hause, ohne ein Wort miteinander zu reden. Ich schaltete das Radio ein, versuchte, mich von allen Gedanken freizumachen und ganz in der Musik zu verlieren. »Hier ist ein schöner alter Hit«, hörte ich
plötzlich meine Stimme durch das atmosphärische Rauschen des Radios. » Your Cheatin’ Heart von Hank Williams. Die Telefonleitungen sind jetzt geschaltet. Scheuen Sie sich nicht, uns Ihre Fragen zu stellen.«

19
    Ungefähr um diese Zeit hatte ich das erste Mal diese Träume. Es waren zwei, die immer wiederkehrten, unterschiedlich im Inhalt, aber gleichermaßen beunruhigend. Im ersten Traum liege ich bäuchlings in meinem Schlafzimmer auf dem Boden. Meine Hände sind auf dem Rücken gebunden. Meine Schwester hockt rittlings auf mir, auf und nieder wippend, als ritte sie ein Pony, während ein gesichtsloser Fremder alle meine Schubladen ausräumt und ein, wie es scheint, endloses Sortiment an Büstenhaltern und Höschen in die Luft schleudert, ohne sich darum zu kümmern, wo sie niederfallen.
    In meinem zweiten Traum gehe ich auf einem sonnigen Bürgersteig. Ich fühle mich ungewöhnlich beschwingt, beinahe so, als wäre ich leichter als Luft. Und im nächsten Augenblick bin ich absolut überzeugt davon, daß es nur einer kleinen Anstrengung bedarf, um mich tatsächlich in die Lüfte zu erheben. Ich beginne also, wie wild mit den Armen zu flattern, strecke mich, Kinn voraus, weit nach vorn, als setzte ich zum Sprung von einer Schanze an. Und plötzlich heben sich meine Füße vom Boden, und ich hänge in der Luft, vielleicht einen halben Meter über der Erde, und schlage noch heftiger mit den Armen auf und nieder, um den Schwung beizubehalten, um die Geschwindigkeit zu vergrößern, höher hinaufzukommen, durch die Luft zu fliegen. Ich bin so nahe daran. »Laß mich!« rufe ich und spüre doch schon, daß meine Füße zum Boden zurückkehren, mein Flug mißlungen ist, meine Kraft verbraucht.
    Es ist nicht allzu schwierig dahinterzukommen, was diese
Träume bedeuten: der wahrgenommene Kontrollverlust, die äußeren Kräfte, die mich fesseln, mein Bestreben, mich zu befreien, aus meinem Leben abzuheben, die verschleierten Bezüge auf Larry und Robert, der gar nicht verschleierte Bezug auf meine Schwester.

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