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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ringelte sich ein Knäuel von Drähten aus einem Loch in der Wand. Als sich auf sein Klopfen niemand meldete, stieß er die Tür auf. Sie wurde durch eine stramm gespannte Spiralfeder zugehalten und schlug krachend zu, als er sie losließ. Der Lärm lockte eine schlampige Alte in den Flur hinaus. Sie musterte ihn misstrauisch.
    «Ich suche Mr. Wilcox», sagte Moose.
    «Oberster Stock, letzte Klingel», knurrte sie und verschwand hinter einer Tür.
    Moose entdeckte eine Reihe Briefkästen und drückte die Klingel unter dem Namen.
    «Hallo!», tönte es prompt durch die Gegensprechanlage.
    «Ich bin Moose Carter, Mr. Wilcox», rief er ins Mikrophon. «Wir haben miteinander telefoniert.»
    «Kommen Sie rauf.»
    Angesichts des Raumes, in den er trat, verflüchtigte sich sein anfängliches Unbehagen. Ein großes, elegant eingerichtetes Zimmer; Teppiche, Ölgemälde in schweren Goldrahmen, Polstersessel; gegenüber dem Atelierfenster, das den Blick auf die benachbarten Hausdächer freigab, ein großes Sofa. Hinter dem Mahagonischreibtisch saß Mr. Wilcox auf einem modernen, mit schwarzem Leder gepolsterten Stahlsessel.
    Moose hatte sich den Mann eigentlich ganz anders vorgestellt. Flanellhosen, Tweedjacke – er erinnerte eher an einen der jungen Professoren, die er am College kennen gelernt hatte. Das braune, an den Schläfen angegraute Haar war kurz geschnitten.
    «Nicht schlecht, die Aussicht», sagte Moose und trat ans Fenster.
    «Ich mag sie auch», bestätigte Wilcox. «Am liebsten sitze ich auf dem Sofa und blicke über die Dächer … Sehr entspannend.»
    «Hübsch hier, wirklich. Hätte ich nicht …» Moose hielt inne.
    «… erwartet? Nach der Straße zu urteilen, ja? Viele dieser Häuser werden jetzt aufgekauft und instand gesetzt, so wie dieses hier.» Er lächelte – ein angenehmes Lächeln: «Eine Art Slum-Sanierung auf privater Basis, wenn man so will. Diese Wohnung hat einem Freund von mir gehört – einem Maler. Er hatte einen langjährigen Mietvertrag und baute sie als Studio aus; daher das Atelierfenster. Dann ging er nach Europa … Die Lage ist recht angenehm hier.»
    «Ist das Ihr Büro, Mr. Wilcox?»
    Der andere sah ihn forschend an. «Gott – einiges Geschäftliche erledige ich auch von hier aus», sagte er ausweichend. Dann bot er Moose auf dem Sofa Platz an und setzte sich zu ihm.
    «Also, Sie wollen bei uns mitarbeiten?»
    «Gern, Sir.»
    «Nun, die Ware, die wir vertreiben, ist hier in der Stadt nicht schwer zu bekommen; und es gibt viele Leute, Kleinhändler, die das Zeug direkt bei Hinz und Kunz kaufen. Wahrscheinlich verdienen sie ganz ordentlich. Aber wir arbeiten anders. Wir sind eine Organisation. Auf den ersten Blick sind die Betriebskosten höher, aber unsere Leute finden, es macht sich letzten Endes bezahlt. Wer bei uns kauft, kriegt garantiert prima Ware für sein Geld. Bei uns wird nicht irgendwelcher Dreck beigemischt – das gibt nur Scherereien. Wer bei uns Hasch verlangt, der kriegt Hasch und sonst nichts. Es gibt ja schließlich so was wie Geschäftsmoral …
    Eine Organisation hat ihre Vorteile», fuhr Wilcox fort. «Wir halten die Konkurrenz in Schach. Wenn da mal jemand in der Gegend aufkreuzt und das Zeug an Freunde abgibt, zum Selbstkostenpreis womöglich – da kümmern wir uns nicht darum. Aber wenn ein Berufshändler in Ihrem Gebiet auftaucht, dann greifen wir ein. Es kann auch mal vorkommen, dass Sie in Schwierigkeiten geraten – auch da helfen wir, soweit es möglich ist … Wir sind an Ihnen interessiert, weil die jungen Leute Sie kennen; weil Sie auf freundschaftlicher Basis arbeiten können – das ist immer gut.»
    Moose zögerte. «Ist aber nicht schon …»
    Wilcox nickte. «Richtig. In dem Bezirk arbeitet schon jemand. Aber wir sind mit den Ergebnissen nicht sehr zufrieden. Außerdem könnte man argumentieren, dass die Sache einer einzigen Person mit der Zeit über den Kopf wächst …» Er überlegte. «Ja, das klingt ganz überzeugend: Um den Bezirk richtig abzugrasen, ist einer zu wenig. Gehen Sie also zu ihm und bestellen Sie ihm von uns, dass Sie in Zukunft mit ihm zusammenarbeiten, und zwar auf der Basis halbe-halbe … Halt – seinen augenblicklichen Vorrat hat er natürlich vorausbezahlt: Bieten Sie ihm an, den Rest gegen prozentuale Beteiligung abstoßen zu helfen. Fünfundzwanzig Prozent, würde ich sagen. Das scheint mir fair. Ein Viertel für die alte Ware und halbe-halbe für die neue … Mal sehen, wie sich’s einspielt; vielleicht

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