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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ihm im Zimmer seines Bruders Peter boten. Peter trug Zeitungen aus und hatte immer Geld – bloß, er verborgte es nicht. Nicht ums Verrecken … Er war jetzt nicht zu Hause; aber er dachte sich immer die unwahrscheinlichsten Verstecke aus, und wenn Sharon ihn jetzt in Peters Zimmer herumsuchen hörte, würde sie ihn verpetzen … Er verdrängte rasch die Erinnerung an seinen letzten Anleiheversuch, den sein Vater sehr missbilligt hatte – unter Zuhilfenahme einer anderthalbzölligen Latte.
    Unten ging die Haustür – die Mutter! Sie würde ihm etwas geben … Er gab den Gedanken an einen Abstecher in das Zimmer seines Bruders endgültig auf und suchte aus dem dünnen Stapel das gelbe Hemd heraus. Der schwarze Schlips, bereits geknotet, musste nur noch zurechtgerückt werden. Dann zog er die Sportjacke an, zwängte die Füße in die Slipper und rannte die Treppe hinunter.
    Sie stand in der Küche und packte die Einkaufstasche aus. «Ein Mädchen?», fragte sie missmutig mit einem Blick auf seinen Aufzug. «Schon so früh?»
    Er lächelte strahlend – es war ein ansteckendes Lächeln. «Mädchen sind für den Abend, Ma, das solltest du wissen. Nein, ich muss in die Stadt.»
    «In die Stadt?»
    «Hm, hm. Nach Boston. Hab da ’n Job in Aussicht. Prima Sache … Wird wahrscheinlich spät heut Abend.»
    «Vater mag es nicht, wenn du zum Abendbrot nicht da bist.»
    «Ich weiß, Ma, aber ich komm per Anhalter zurück.»
    «Heißt das, dass du kein Geld für den Bus hast?»
    «Nee. Bloß noch zehn Cent. Wirklich wahr. Der alte Begg schuldet mir noch was – ich hab da was vorlegen müssen für Material neulich, wie ich gearbeitet habe bei ihm. Ich hab ganz vergessen, mir’s zurückgeben zu lassen.»
    «Und deinen Lohn hast du auch noch nicht gekriegt?»
    «Nein. Er zahlt mich immer am Freitag aus.»
    «Und dieser Mr. Paff von der Kegelbahn?»
    «Von dem krieg ich heute Abend Geld.»
    «Wie sieht das aus – ein Junge wie du und per Anhalter!», tadelte sie. «Wann suchst du dir endlich eine feste Arbeit?»
    «Als Tischler, hm? Wie Pa? Danke für Obst! Ich hab mich immerhin durchgeschlagen, seit ich wieder daheim bin, oder? Jeder kann mal pleite sein. Und wenn die Sache heute klappt, dann bin ich aus allem raus.»
    «Was für eine Sache?», fragte sie.
    «So ’ne Art Kundenwerbung … jemand, den ich vom College her kenne. Er kommt rauf in den Norden und will hier ’n großen Laden aufziehen.»
    «Und du gehst da hin ohne einen Penny in der Tasche?»
    «Ich werd ihm nicht auf die Nase binden, dass ich blank bin», knurrte er.
    «Das merkt er trotzdem. Man sieht’s dir ja am Gesicht an», sagte sie. «Ich hab’s auch sofort gemerkt …» Sie fummelte in er Schürzentasche herum und zog einen Geldbeutel hervor. «Da, nimm – zwei Dollar. Mehr kann ich dir nicht geben, aber wenigstens reicht’s für den Bus hin und zurück.» Sie streckte ihm die zerknitterten Scheine entgegen. «Aber weh dir, wenn du jetzt nicht rechtzeitig zum Abendbrot da bist!»
    «Du weißt doch, wie das ist, Ma. Vielleicht will er noch was Geschäftliches besprechen, oder er lädt mich zum Abendessen ein. Da kann ich doch nicht gut sagen, tut mir Leid, aber Mammi und Pappi haben gesagt, ich muss zu Tisch zu Hause sein!»
    «Wenn du merkst, dass es später wird, rufst du gefälligst an. Du kannst dich ja entschuldigen und sagen, du musst eine Verabredung absagen. Und dann rufst du an. Wenn das ein seriöser Geschäftsmann ist, wird’s ihm nur Eindruck machen.»
    «Okay, Ma. Du hast sicher Recht … Danke für das Geld; du kriegst’s am Freitag zurück.»
    Er nahm seinen hellen Regenmantel aus dem Schrank im Flur, schlug den Kragen hoch und musterte sich im Korridorspiegel. Er war zufrieden mit dem Anblick – ein College-Boy, wie einem Herrenmagazin entsprungen. Im Spiegel sah er, wie ihn seine Mutter stolz beobachtete. Er zwinkerte seinem Spiegelbild zu, dann ging er.
    «Bis bald», rief er noch über die Schulter.
19
    Didi legte die Hand über die Muschel: «Es ist dieser farbige Junge aus meiner Klasse, von dem ich dir mal erzählt habe – Alan Jenkins. Er ist in Lynn und möchte mal vorbeischaun … Was soll ich ihm sagen?»
    «Lad ihn ein, wenn du Lust hast», sagte Mrs. Epstein sachlich. «Hat er einen Wagen?»
    «Er hat ein Motorrad. Aber ich muss doch zum Picknick …»
    «Frag ihn doch, ob er mitkommen mag.»
    «Glaubst du, ich kann ihn so einfach mitbringen?»
    «Warum nicht? Wie ist er denn?»
    «Och … Er ist etwas älter als die

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