Am Sonntag blieb der Rabbi weg
Wagen zu kriegen … Was ist nun eigentlich mit dem Bier?»
«Wann machen wir das Feuer an, Bill?»
«Sobald es dunkel ist und wir alle Hunger haben … Hat schon jemand Hunger?»
«Nein, nein, warten wir noch.»
Das Meer war ruhig, fast unnatürlich ruhig. Leise schwappend schlugen kleine Wellen gegen die Ufermauer. In der Ferne kreischten Möwen. Sonst war alles still. Es lag etwas in der Luft, das jedes laute Wort erstickte. Sie saßen paarweise beisammen, flüsterten leise miteinander und warteten auf die Dunkelheit.
Adam Sussman hatte den Kopf in den Schoß seiner Freundin gebettet; durch sein Beispiel ermutigt, rückten auch die andern Pärchen näher zusammen. Plötzlich richtete sich Sussman auf und rief halblaut: «Wir kriegen Besuch …» Er deutete auf eine einsame Gestalt, die sich ihnen näherte. «Der hat uns gerade noch gefehlt!»
«Moose Carter», sagte Stu.
«Der Tröster der einsamen Mädchen», murmelte Didi.
«Hallo, Moose!» Bill Jacobs winkte ihm lässig zu.
«’n Abend allerseits … Hallo, Bill, Stu … Didi, Sue … Ja, gibt’s dich auch noch, Betty Baby?» Dann entdeckte er Jenkins. «Mensch, ich werd verrückt – ’n richtiges Bürgerrechtlerpicknick, hm?»
«Nimm dir ’ne Büchse Bier und red keinen Stuss», sagte Bill Jacobs kurz.
«Sehr wohl, ich bin so frei …» Er riss den Deckel einer Bierdose auf. «Habt ihr das schon mal gesehen?», fragte er, warf den Kopf in den Nacken und ließ das Bier die Kehle hinuntergurgeln, ohne dass sich der Adamsapfel bewegte.
«Alan Jenkins – Moose Carter», stellte Jacobs vor.
Keiner machte Anstalten, dem anderen die Hand zu schütteln. Beide murmelten etwas, das wie «Hallo!» klang.
«Nimm dir noch ein Bier», sagte Jacobs.
«Ich sag nicht nein … Rückt mal zusammen!» Er bemerkte, dass Stu zur Seite rutschte, um ihm neben Jenkins Platz zu machen. «Nee, lass man; ich setz mich lieber dort rüber», sagte er, «zu Betty, meiner alten Liebe. Ich bin nicht gern im Abteil für Farbige.»
Didi spürte, wie sich Stus Hand unter der ihren zusammenballte. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. «Es ist halb sieben. Wenn du deine Eltern abholen willst, musst du los.»
«Vielleicht sollte ich besser in der Gegend bleiben», knurrte er.
«Nein, geh ruhig», flüsterte sie. «Ich komm schon klar.»
Kaum war Stu gegangen, da fielen die ersten Tropfen.
22
Wenn Ben Gorfinkle vor den jungen Leuten von der Führungsreserve seiner Firma über Fragen der Personalpolitik zu sprechen hatte, pflegte er sein Referat mit einer Betrachtung über den widerborstigen Untergebenen zu beenden:
Wenn Sie’s mit einem Untergebenen zu tun haben, der aus der Reihe tanzt, geben Sie ihm zuerst einmal die Chance, seinen guten Willen zu zeigen – auch wenn Sie alle Trümpfe in der Hand haben und ihn einfach feuern könnten. Wenn er nämlich etwas taugt und sich daraufhin zusammenreißt, haben Sie der Firma einen guten Mann erhalten. Wenn Sie ihn aber feuern, müssen Sie ihn ersetzen. Und wer sagt, ob Ihnen der Neue nicht genauso viel Scherereien machen wird? Auf alle Fälle ist eine Aussprache immer das Beste.
Am Montag rief Gorfinkle gleich nach Feierabend den Rabbi an. «Können wir uns nicht mal zusammensetzen, Rabbi? Wir haben uns noch nie in Ruhe unterhalten, seit ich Gemeindevorsteher bin. Ich meine, es gibt eine ganze Menge zu besprechen.»
«Selbstverständlich. Wann immer Sie wollen.»
Meist ist es gut, die Aussprache möglichst langfristig anzusetzen – soll er ruhig ein wenig zappeln. In manchen Fällen ist es jedoch vorteilhafter, den Mann sofort zu bestellen, damit er möglichst unvorbereitet ist. Das hängt ganz von den Umständen ab.
«Wie wär’s heute Abend?»
«Um sieben muss ich zum Minjan. »
«Und ich habe eine Verabredung zum Abendessen … Wie sieht’s denn vorher aus?»
«Vorher passt es mir.»
«Fein. Es ist nur … Stu hat nämlich meinen Wagen …»
«Ich kann ja zu Ihnen kommen.»
Schaffen Sie eine freundschaftliche Atmosphäre. Er soll sich wohl fühlen in seiner Haut … Gorfinkle führte den Rabbi ins Wohnzimmer und bot ihm einen Sessel an. Ermutigen Sie ihn zum Sprechen, aber halten Sie ihn stets in der Defensive … Er lächelte wohlwollend: «Sagen Sie, Rabbi, was ist Ihrer Meinung nach Ziel und Zweck des Tempels, und welches sind die Aufgaben des Rabbiners?»
Der Rabbi lächelte; er erkannte den Eröffnungszug und wich aus. «Ich bin seit sechs Jahren hier tätig. Sie haben mich wohl nicht so dringend
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