Am Sonntag blieb der Rabbi weg
Boden aus. «Gorfinkle, leg dich mal drauf. Jacobs soll uns vormachen, wie er Moose eingewickelt hat.»
Stu legte sich auf die Decke, während alle ihre Hälse reckten, um besser zu sehen. Doch Bill Jacobs schüttelte den Kopf. «Die Decke war schräg über die Couch gebreitet, sodass Moose in der Diagonale lag … Rück mal rum, Stu! So – halt, jetzt stimmt’s.» Er gab eine genaue Demonstration, indem er jede Phase kommentierte: «Zuerst zogen wir ihm diesen Zipfel über die Füße. Dann wickelten wir das linke Ende fest um seinen Körper, schlugen das rechte darüber und stopften es unter ihm fest … So!»
«Hat Moose während der Prozedur etwas gesagt, oder war er schon bewusstlos?»
«Er hat Stein und Bein geschimpft. Vor allem auf Jenkins.»
«Und Jenkins? Wie hat er reagiert?»
«Ich weiß nicht mehr. Erst als Moose reglos dalag und schnarchte, sagte Jenkins … aber das war nur im Spaß …»
«Was sagte er?»
«Wir hätten seine dämliche Visage auch noch zudecken sollen, oder so ähnlich. Aber das war bestimmt nicht ernst gemeint.»
«Natürlich nicht.» Lanigan nickte bereitwillig. «Und als ihr dann später zurückkamt, um Moose zu holen – wie habt ihr ihn da gefunden? War er noch genauso verpackt, wie ihr ihn verlassen hattet?»
«Ja – bis auf den vierten Zipfel von diesem Plastikdings. Der war jetzt über seinen Kopf gezogen und seitlich festgesteckt.»
«Zeigt mir das mal.»
«He!», schrie Stu. «Moment mal!»
«Keine Angst, Gorfinkle, wir lassen dich nicht so liegen», versicherte Lanigan.
Bill Jacobs hob den oberen Zipfel der Plastikdecke hoch, zog ihn über Stus Kopf und stopfte ihn unter ihm fest.
«Nein!», kreischte Sue Arons hysterisch. «Nimm das weg!»
45
Pearl Jacobs war in Gesellschaft immer vergnügt und manchmal sogar von einer fast hektischen Fröhlichkeit, doch im Familienkreis konnte sie sehr nüchtern und berechnend sein. Als ihr Mann mit seinem Bericht über die Elternzusammenkunft beim Rabbi zu Ende war, sagte sie:
«Eines versteh ich nicht: Wieso hat der Rabbi ausgerechnet dich angerufen? Warum nicht Gorfinkle? Schließlich ist er der Gemeindevorsteher.»
«Er sagt, weil Bill als Einziger von A bis Z in der Sache drinhängt. Aber ich vermute, es war ihm einfach peinlich, Ben Gorfinkle anzurufen, nachdem der mehr oder weniger im Begriff ist, ihn rauszuschmeißen.»
«Wetten, dass Ben nicht mehr gewählt würde, wenn heute nochmal abgestimmt würde?»
«Warum? Weil er den Rabbi kaltstellen will? Glaubst du, der Rabbi ist so beliebt?»
«Nein. Ich meine, ich weiß nicht, wie beliebt der Rabbi ist. Er hat keine ausgesprochene Anhängerschaft, das ist wahr. Und einige von den betroffenen Eltern haben sicher eine Wut auf ihn, weil er diese Kollektivvernehmung bei Lanigan arrangiert hat.»
«Meinst du wirklich?»
Sie nickte. «Es war auch meine erste Reaktion. Aber dann sagte ich mir, dass die Polizei früher oder später doch rauskriegt, was sie wissen will. Außerdem war mir der Gedanke unsympathisch, dass ein Mörder frei herumläuft …»
«Was hat das mit Ben Gorfinkle zu tun?», erkundigte sich ihr Mann geduldig.
Sie sah ihn überrascht an. «Nichts – nur finden viele von uns Frauen, dass er diesen Streit in der Gemeinde besser nicht vom Zaun gebrochen hätte.»
«Aber ihr Frauen wählt ja nicht.»
«Nein», antwortete sie, «aber viele von uns können die beeinflussen, die das Stimmrecht haben … jedenfalls sind viele von uns der Ansicht, dass es idiotisch ist, erst mühsam eine Gemeinde zu schaffen, um sie dann wegen so etwas Albernem wie der Sitzordnung in der Synagoge auseinander platzen zu lassen.»
«Ich hoffe, du verkündest das nicht vor allen Leuten, Pearl. Wir wollten die Gemeinde gewiss nicht spalten, und der Streit über die Sitzordnung ist nebensächlich. Wir haben ein Programm aufgestellt, ein verdammt gutes Programm sogar, aber Paff und seine Clique sabotieren es. Da wir uns mit diesen Leuten nicht einigen können, ist es wohl vernünftiger, wenn jede Partei ihre eigene Synagoge hat. Dann kann jeder tun, was er für richtig hält, statt den andern Steine in den Weg zu legen. Hab ich nicht Recht?»
«Typisch Mann!» Sie schüttelte den Kopf. «Du sagst, ihr wollt keine Spaltung – aber ihr tut alles, damit es so weit kommt … Wir Frauen sind da viel realistischer. Ihr stellt euch an wie Kinder: Solange das Ding keinen Namen hat, existiert es nicht … Weißt du, was ihr damit erreicht? Nicht nur, dass es zwei Synagogen geben
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