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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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nie ist der ursprünglich ins Visier genommene Ansprechpartner im Moment meines Treffens auffindbar. Statt der Person, um derentwillen auf das Frühstück verzichtet und ein Berg von Unterlagen in die Tasche gesteckt wurde, stößt der Wartende meistens auf junge Damen, die mit Routine und nur mäßig überzeugendem Lächeln auf freie Sitzgelegenheiten hinweisen und schlecht verhehlen, dass ihnen Störungen noch mehr zuwider sind als Würmer oder Männer in weißen Söckchen. Wer wagt es da noch, sich zu erkundigen, welche Zeiteinheit die Platzanweiserin mit dem Begriff Moment definiert?
    Ob jemand zu Kolumbus gesagt hat: Nehmen Sie einen Moment Platz, als er sich das Ei kommen ließ, das bis heute noch als Ei des Kolumbus Furore macht? Wer wäre auf die Idee gekommen, Alexander dem Großen einen Stuhl anzubieten, als er das Schwert aus der Scheide zog, um den Gordischen Knoten durchzuhauen? Die allerwenigsten von denen, die Geschichte schrieben, haben herumsitzen müssen, ehe sie es taten. Keinesfalls hockten sie verschüchtert in einer Warteschleife, sie schritten zur Tat. Und wenn sie gut Acht gaben, nicht über ihre Füße zu stolpern, dann zieht die Nachwelt immer noch vor ihnen den Hut. Werde ich künftig bei fester Verabredung gebeten, einen Moment zu warten, schreite ich auch. Zur Ausgangstür!

Als es noch keine Spülmaschinen gab
    Die Spülmaschine streikte, und ich war außer mir. Nun versorge ich weder Kantine noch Kinderheim, nur einen Zweipersonenhaushalt, doch das Glück kehrte erst zu mir zurück, als die Maschine gesundete und Teller und Gläser wie im Werbefernsehen glänzten. Ich bekenne, dass ich mich schäme. Welch ein Frevel, mit dem Schicksal zu zetern, sobald man selbst Hand anlegen muss! Wir Heutigen hängen eben an unseren Maschinen wie die Steinzeitfrau an ihren Feuersteinen.
    Die Hausarbeit per Knopfdruck zu erledigen, hat das Gedächtnis geschwächt für das, was den Frauen früher abverlangt wurde. Butter und Sahne per Hand schlagen, Federvieh rupfen; die Kaffeemühle klemmte die Frau des Hauses zwischen die Knie. Sie pökelte Fleisch, räucherte Fisch, machte Quark, saß am Spinnrad und träumte, jemand würde eine Maschine erfinden, mit der sie nähen könnte. Wonnen meiner Kindheit waren ein Gerät, das aus grünen Bohnen winzige Schnipsel machte, die nutzlos gewordene Mohnmühle mit dem Schild »Zur Erinnerung an Oberschlesien« und ein Holzfässchen, um Gurken einzulegen. Da Gurken nicht auf der Farm im Hochland von Kenia gediehen, wo ich Kind sein durfte, diente das Fass als Gebärstube für die Spanielhündin.
    Im vormaschinellen Zeitalter wurde die Wäsche auf dem Waschbrett geschrubbt, in großen Töpfen im Keller gekocht und mit äußerst launischen Bügeleisen geplättet. Zu noch früherer Zeit wuschen die Frauen am Fluss und holten das Wasser vom Dorfbrunnen. Alles kein Kinderspiel. Brot kam nicht aus dem Supermarkt, Milch nicht aus der Tüte, Hähnchen nicht aus der Tiefkühltruhe und Frauen nicht aus dem Schuften heraus. Das Reinigen von Topf und Teller besorgten Kinder, sobald sie zu alt waren, um nur zu spielen. Sagen wir ab dem vierten Lebensjahr.
    Anderen Menschen voraus habe ich das Wissen, wie lustig es sich ohne Toaster lebt. Owuor, unser Koch auf der Farm und Liebling meiner Leser, klemmte die Brotscheiben zwischen seine Zehen, schob seinen rechten Fuß zum Kamin und lachte sehr, wenn meine Mutter ihn fragte, ob er seine Füße gewaschen hätte.

Einmal an die eigene Brust klopfen
    Der Partner war in einen Streit mit dem Kaffeeautomaten verwickelt. Ich schaute vom siebten Stock des Kaufhofs in Frankfurt auf die Katharinenkirche und die Hauptwache. Die Sonne schien, der Himmel war veilchenblau. Die Tauben versprachen, ihren Dreck selbst zu beseitigen, und ich murmelte Gestehe, dass ich glücklich bin aus Schillers Ring des Polykrates vor mich hin.
    Eine junge Frau betrat die Szene, beäugte eingehend meine prall gefüllte blaue Einkaufstasche, die auf der Heizung stand, und befragte die Dame am Nachbartisch, ob die ihr gehöre. Die Angesprochene verneinte. Mir schien es, als würde die Fremde ihre Hand in Richtung meiner Tasche ausstrecken, woraufhin ich energisch die Eigentumsverhältnisse klärte. Die Frau verzog sich ziemlich erschrocken, wie mein Kennerauge sofort analysierte.
    Die Dame am Nachbartisch freute sich an ihrem Rührei. Sie sah aus, als könnte sie noch Strümpfe stricken und einen Champignon von einem Fliegenpilz unterscheiden. Man könne, erklärte

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