Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
in einer Märchenkutsche ins rosa gepolsterte Wolkenkuckucksheim fahren. Jammerschade, dass das Leben da nicht mitspielt.
Das Thermometer zeigt 38 Grad im Schatten, dem Hund ist übel, Ventilatoren sind ausverkauft, die Klimaanlage hat Verstopfung, und in der Eisenbahn wird man gegrillt. Dann kommen auch die Berufsoptimisten dahinter, dass die Wirklichkeit keinen Pfifferling auf unsere Wunschträume gibt und uns schamlos Ammenmärchen auftischt. Wohl dem, der es trotzdem fertigbringt, nachts in den Himmel zu schauen und einer Sternschnuppe den Herzenswunsch anzuvertrauen.
Leben von geborgter Zeit
Eines Tages stehen wir vor der eigenen Tür und seufzen. Der Urlaub ist vorbei. Auf der Treppe wiegt der Koffer schwer wie nie, verflogen ist die Ferienheiterkeit. Im ersten Stock hat sich Frau Spinne einquartiert. Ist das noch ein Fall von Hausfriedensbruch oder schon eine Hausbesetzung? Seit wann fliegen so viele Flugzeuge über das Haus? Wo sind die Schwalben abgeblieben, die über dem See vom Leben im Süden erzählten? Kein Schwan dümpelt mehr zu Prinzessin Tausendschön.
Wer schon mal aus der Welt ohne Pflicht und Bürde nach Hause zurückgekehrt ist, kennt das Lied. Es ist alt und doch ewig neu. Der Heimkehrer hat von geborgter Zeit gelebt; er hat die Sonne aufgehen sehen und abends immer noch die Illusion gehabt, das Leben wäre ein Hollywoodfilm und die Welt ein Bilderbuch. Nun ist man zu Hause, doch daheim ist man nicht. Mit fremden Füßen schleichen wir durch den Flur, stolpern über den Schuh, den ein Heinzelmännchen bei seiner Flucht vergessen hat. Der Kaffeebaum grinst und sagt, man wäre besser dort geblieben, wo der Pfeffer wächst. Frau Nachbarin habe ihn tausend Mal besser versorgt als wir.
Wir stehen mit der falschen Brille auf dem Balkon und suchen vergebens den Durchblick von gestern. Der Spiegel im Badezimmer ist blind, das Küchenfenster klemmt, der Schnittlauch im Topf ist vertrocknet. Die Sofakissen haben die Sonne nicht vertragen. Es riecht nach Vergangenheit und kein bisschen mehr nach Sternenstaub. Wenn ein Geschöpf Flügel hat, ist’s eine Motte und kein Schmetterling und auf keinen Fall ein Engel. So muss es Kolumbus ergangen sein, als er von Amerika zurückkehrte und die Gattin ihn fragte, weshalb er ihr aus Indien keinen Sari mitgebracht hätte und nicht einmal ein Tütchen Kreuzkümmel. Wahrscheinlich hat er da erst endgültig begriffen, dass er sich verfahren hatte.
Bei uns zeigt der Kalender den falschen Tag an, die Pendeluhr ist kollabiert, das Staubtuch riecht nach Vergänglichkeit. Die Hunde bellen nicht mehr spanisch und sagen wieder wau. Das Radio spricht deutsch. Wie hat Odysseus nach 20 Jahren Abwesenheit die Heimkehr überstanden, ohne Schaden an seiner Seele zu nehmen? Woher hatte er die Kraft, Penelopes Freier zum Teufel zu jagen und seinen treuen Hund zu streicheln? Wahrscheinlich muss man sich wie er im Urlaub an einen Mast gebunden haben, um in der eigenen Welt bei Verstand zu bleiben, oder sich zwischen so lebensgefährlichen Bedrohungen wie Skylla und Charybdis durchgequält haben, um später die eigene Heimat voll zu schätzen. Wer aber bekommt schon bei einer ganz gewöhnlichen Pauschalreise so ein außergewöhnliches Überlebenstraining?
Pony mit rosa Mähne gesucht
Kommende Woche ist – zumindest in Hessen – Schluss mit lustig. Kein Bad mehr im städtischen Brunnen, kein Jux mehr mit der Clique. Die Playstation wird ausgeschaltet, die Ferien sind vorbei, die Lehrer wieder angetreten. Es jubeln allein die Erstklässler. Ihnen wurde wochenlang weisgemacht, der Ernst des Lebens sei schokosüß und supergeil. Für den Tag der Tage reichten einst Tafel, Stift und Buch, gewaschener Hals und saubere Hände. Später kam die Schultüte dazu, zu Hause von flinken Frauenhänden gebastelt und gesund bestückt – unten Äpfel und Selbstgebackenes, oben Bonbons, dazwischen Radiergummi und ein Traktat für fromme Kinder. Aus Kindern wurden Kids, aus dem Wunsch, das Lernen zu versüßen, ein Leistungssoll für Eltern. Die Auswahl an Unsinn ist riesig. »Alles Coole für die Schule« empfiehlt ein Plakat in der Süßwarenabteilung eines Kaufhauses. Bitte darauf zu achten, dass Schultüte und Inhalt eine Einheit bilden. In die Tüte mit Pferdekopf gehören ein Pony mit rosa Mähne, in die Bärentüte Schokostifte, Gummibären und ein Plüschbär, der aussieht, als würde er die Bruchrechnung erst am Sankt-Nimmerleins-Tag begreifen.
Hingabe und Sorgfalt erfordert die
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