Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
Lernausstattung für Erstklässler. Ein zeitgemäßes Schüleretui besteht aus 50 Teilen (Tintenpatrone und Füller inklusive). Etwas teurer ist die Faulenzerrolle, in die Stifte und Co. zwanglos hineingeworfen werden. Brauchte man früher so etwas, um Faulenzer zu werden, oder war das eine Sache der Gene und der Neigung?
Heute haben Kinder Chancen ohne Ende, um zu zeigen, wer sie sind. Jahrhundertelang mussten sie ja ohne Ringbücher und Schülerkalender im Totenkopf-Dekor auskommen. Und ohne Ranzen mit Leuchtmodulen, Backpack mit gepolsterten Tragegurten oder Lern-Laptops. Dies alles klingt mächtig trageschwer und rückenschädigend. Hilfreich für Transportprobleme ist der zusammenklappbare Alu Scooter. Für die Kleinen schleppt vielleicht ein arbeitsloser Papi, oder Mami organisiert eine Fahrgemeinschaft. Eine Oma, die nicht permanent den Kopf schüttelt, weil sie sich an die eigene Kindheit erinnert, tut es natürlich auch.
Figurfreundliches Brot für Pferde
Wie unterhalte ich mich mit einem Baby, ohne dass es sich angewidert abdreht? Soll ich abends kopfstehen und morgens meditieren oder umgekehrt? Weshalb verweigert meine Katze Kaviar und mein Mann die eheliche Treue? Weshalb werden meine grünen Bohnen immer grau, und wie erziehe ich mich dazu, keine Briefe mehr zu schreiben, sondern nur SMS? Solche Fragen und Probleme von ähnlicher Bedeutung kann heute jeder für sich klären. Keiner muss sich in unserer Zeit als rückständig offenbaren. Die Ratgebersendungen des Fernsehens und gedruckte Lebenshilfen in Buchform sorgen ständig dafür, dass wir den Anforderungen des modernen Lebens gewachsen sind.
So war es wahrhaftig nicht immer. Es gab Zeiten, da wurde der Bedarf an Ratgebern im Wesentlichen durch einfache Kochbücher und Anleitungen zur Säuglingspflege abgedeckt. Wer sich heute zur großen Gilde derer bekennt, die Kochen als entspannende Selbstverwirklichung empfindet, braucht ein Sonderregal für Kochbücher. Kochbuchautoren gehen immer mehr ins Detail. Wie schaffe ich es, dass meine Familie Pastinaken für essbar hält? Wie bekomme ich in 30 Minuten ein Vier-Gänge-Menü auf den Tisch? Wie backe ich figurfreundliches Brot für Pferde?
Kann alles nachgelesen werden. Noch höher wird der Bücherturm, wenn sich der Lernbegierige die vielen Anleitungen zum Thema Mensch anschafft. Diät für die Figur. Vollkost für den Geist, der kürzeste Weg zum Glück, Entspannung im Moor, Relaxen auf dem Montblanc, wie finde ich den richtigen Guru, wo eine Goldmine und bei wem Geborgenheit? Ob Esoterik, Lebenshilfe, Psychologie, ob Basteln mit Kindern oder ein Lehrbuch für den Umgang mit sprachbewussten Wellensittichen, wir werden alle bedient.
Bin ich die Einzige, die sich fragt, wie frühere Generationen ohne Ratgeberliteratur existiert haben? Leute, die nicht lesen konnten, und die Armen, die froh waren, wenn sie sich Brot leisten konnten, schwante es nicht einmal, dass Bücher von Nutzen sind. Den täglichen Kram mussten die Gestrigen durch Nachdenken lösen.
Keiner relaxte im Badeschaum, nirgends ließ einer die Seele baumeln, nur die große Wäsche. Der Hund bekam allenfalls einen Knochen und nie geistige Anregung. Wie wunderbar einfach. Ob man für die Rückkehr zum gesunden Menschenverstand ein Lehrbuch braucht?
Melancholie in der Warteschleife
Nehmen Sie einen Moment Platz. Gestern hörte ich den Satz zwei Mal, und ich weiß jetzt schon, dass er mir am Montag, weil drei Termine anstehen, bestimmt drei Mal um die Ohren geschlagen wird. Der Mensch von heute landet immerzu in der Warteschleife des Lebens (die am Telefon nicht mitgerechnet). Wem das nicht so ergeht, heißt entweder Merkel oder Obama oder Benedikt. Oder er parliert mit Papageien auf der einsamen Insel, die durch die Wunschträume aller Menschen geistert, denen Geduld nicht gegeben ist.
Auch mit einer festen Verabredung als Beleg, dass wir die Berechtigung haben, nach Frau X oder Herrn Y zu fragen, landen Hinz und Kunz und Freifrau von Dreidorf auf der Wartebank. Dort heißt es, Platz nehmen, Mund halten und nicht rechten, dass man als Einziger Termine pünktlich einhält. In trüben Momenten wundere ich mich, dass ich nicht in irgendeinem Vorzimmer vergessen worden bin und beim Frühjahrsputz unter den Teppich gekehrt wurde.
Gleichgültig wo man sich ansagt, ob beim Arzt, auf der Stadtverwaltung oder beim Meister in der Autowerkstadt, der am Telefon so wohltuendes Interesse für den Auspuff mit dem plötzlichen Grippeanfall zeigte,
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