Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
Vom Netzwerk:
küssen ihren Pekinesen, junge Mädchen merken erst, wenn es zu spät ist, dass aus Küssen kleine Kinder werden können.
    Aus der Kunst ist der Kuss nicht wegzudenken. In einer Skulptur des französischen Bildhauers Auguste Rodin wird das ineinander verschlungene Paar zum Sinnbild der körperlichen Liebe. Der Österreicher Gustav Klimt hat mit seiner strahlenden Darstellung vom Kuss eines der schönsten Bilder des Jugendstils geschaffen. Der Franzose Jean-Honoré Fragonard malte 1788 das inspirierende Werk »Der heimliche Kuss«.
    Filme ohne Kuss wären wie Autos ohne Motor. Auch die Weltgeschichte kommt ohne Kuss nicht aus. De Gaulle küsste gern und wirksam. Kohl hat’s von ihm gelernt. Angela Merkel, der dies bestimmt nicht in die Wiege gesungen wurde, küsst heute, als wollte sie die ganze Welt umarmen. Selbst der Papst küsst – den Boden.
    Verkehrsfachleute wollen wissen, dass Menschen, die frisch geküsst ins Auto steigen, weniger Unfälle verursachen als ungeküsste Kilometerfresser. Ein Kuss, so hat man ausgerechnet, dauert zwölf Sekunden und verbraucht bis zu 20 Kalorien. Vor allem dient der Kuss der seelischen Gesundheit, denn beim Küssen blamieren sich die wenigsten. Ein einziger Kuss reichte, um aus einem Frosch einen Prinzen und aus dem toten Schneewittchen eine höchst lebendige Prinzenbraut zu machen.
    Auf diese erwärmende Art der Kommunikation nur der Schweinegrippe wegen zu verzichten, wäre für uns alle ein gewaltiger Rückschritt. Den Menschen kann man vielleicht noch erklären, weshalb sie auf ihren Arzt hören und nur noch ihren Teddybären knutschen sollen. Aber unseren Brüdern, den Orang-Utans, die sich schon beim Zungenkuss haben fotografieren lassen, wird die neue Hygiene gar nicht gefallen.

Wenn Gutmenschen schwadronieren
    Mir ist nicht bange um die Welt. Schon gar nicht um die Menschen, die diese Welt so liebenswert machen. Wer nämlich befragt wird, was er mit einem Millionengewinn im Lotto tun würde, braucht keinen Herzschlag Bedenkzeit.
    Wir sind, so stellt sich heraus, alle selbstlos, freigebig bis zum Exzess und ausschließlich um das Wohl von weniger glücklichen Nachbarn besorgt. Umfragen in Funk und Presse ergeben immer wieder das Bild vom Philanthropen, der täglich an einer trockenen Brotrinde knabbern würde, wenn nur die Armen in der Dritten Welt genug zu essen hätten.
    Macht nichts, dass wir heute noch ein Minus auf dem Konto haben und den Fernseher abstottern, der vor zwei Jahren ins Haus kam. Vielleicht steht morgen ein Dukatenesel im Stall. Dann können wir unsere Millionen nicht mehr zählen, sind aber ganz heiß darauf, eine Schule in Daressalam zu bauen oder einen Kindergarten im Sahel mit goldenen Tischen und goldenen Stühlen und goldenen Gabeln. Es versteht sich, dass alles vom Feinsten ist, wenn unsereiner die Welt saniert und dafür sorgt, dass keiner mehr hungert und keiner mehr friert und sich endlich all das leisten kann, was wir uns schon immer gewünscht haben.
    Die präsumptiven Lottogewinner, diese Gutmenschen, diese Schwadroneure zögern keinen Augenblick, wenn sie in Gedanken ihre Kinder enterben und der frierenden Oma noch nicht einmal einen Fußsack gönnen. Bescheiden wollen die neuen Reichen sein. Das schwören sie mit zwei erhobenen Händen. Ein Rolls-Royce mit Chauffeur kommt ihnen nicht ins Haus. Eine Villa mit Swimmingpool finden sie Quatsch. Die Leberwurststulle ist ihnen lieber als das Kaviarbrötchen. Wenn das Glück zu ihnen kommt, wollen sie weiterwerkeln wie die Heinzelmännchen, und im Urlaub werden sie auf deutsche Berge kraxeln und mit dem deutschen Rindvieh muhen.
    Wie leicht wäre das Leben, wären die Menschen wirklich auf das Wohl ihrer Mitmenschen bedacht. Sehe ich indes, dass Obdachlose behandelt werden, als wären sie allesamt selbst schuld an ihrer Misere, registriere ich die Blicke, mit denen im Lokal ein weinendes Kind bedacht wird, bedenke ich, wie schnell die Alten, Schwachen und Armen aufs Nebengleis des Lebens geschoben werden, so bin ich ganz sicher, dass die Menschen auch nur Leute sind. Meistens solche, mit denen nicht gut Kirschen essen ist.

Heute Wau und morgen Miau
    Beim morgendlichen Plausch erzählte der liebenswürdige junge Mann, sein Tag wäre einem wichtigen Projekt zugedacht. Ich nickte, um anzudeuten, dass ich mit dem diffizilen Wort Projekt vertraut bin. Dann revanchierte ich mich für seine Mitteilungsfreudigkeit und berichtete, ich wolle auf den Wochenmarkt gehen. Seine Augen nahmen Habachtstellung

Weitere Kostenlose Bücher