Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
Geschmacksverfeinerung die Produkte heimischer Salinen. Sofern ich meinen Augen trauen kann, schätzen Küchenbewusste heute eher das ausgefallene und extravagante Körnchen. Salz vom Himalaya kostet sechs Euro pro Pfund; doppelt so teuer ist das aus der Kalahari. Der Preis verdoppelt sich abermals, wenn es Meersalz aus der Camargue mit Algen angereichert sein soll. Wird so aus einem gewöhnlichen Fischfilet eine Götterspeise? Oder nur der Beweis, dass manche Leute auch den Kakao trinken, durch den man sie zieht?
Kinder früherer Generationen wurden aus Gründen der Not und der Bescheidenheit mit dem Sprichwort genährt, Salz und Brot mache Wangen rot. Gemeint war freilich das klassische Kochsalz, heute noch aus Bad Reichenhall für 79 Cent zu kaufen, mit dem Zusatz von Jod und Fluorid. Der schöne gelbe Pappbehälter mit Alpenpanorama am unteren Rand zeigt an, dass Tradition noch Bestand hat. Ein Hoch auf diejenigen, die nicht nach dem Australian Murray River Salt oder nach dem schwarzen Salz aus Hawaii greifen müssen, um ihren Ruf als Koch zu dokumentieren.
Beim Einkaufen kommt mir immer wieder der Verdacht, dass es trotz Rezession eine ganze Menge von Menschen geben muss, die Wert darauf legen, ihre Dorade in standesgemäße Salzkruste einzukleiden. Es darf gelacht werden. Oder geseufzt?
Wer auf dem Teppich bleibt, geniert sich wahrhaftig nicht, seine Suppe auf die herkömmliche Art zu versalzen. Oder an melancholischen Tagen in den Suppentopf zu heulen und die Brühe vom Huhn aus freier Bodenhaltung mit den eigenen Tränen (garantiert ohne künstliche Zusätze) abzuschmecken. Den wilden Tieren Afrikas, die man in teuren Baumhotels den gutbetuchten Touristen zuliebe nachts mit Salzbrocken an beleuchtete Tränken lockt, mundet auch nur das, was ihre Urväter schon schätzten. Salz vom Himalaya liegt nie unter den Bäumen.
Häuptling Silberlocke bekommt Essen auf Rädern
Wenn wir Märchenerzählern und Romanciers glauben, kamen Großvater und Oma früher beizeiten aufs Altenteil, wo sie im Bestfall auf der Ofenbank kauern durften und Hafergrütze löffelten. Von solch rüder Praxis sind wir heute Äonen entfernt. Alt zu werden gilt nun als ein ebenso großes Vergnügen wie jung zu sein. Siehe die Fotos von alten Menschen pardon: Senioren in Annoncen und im Werbefernsehen. Gleichgültig, ob sie Arthrose haben oder auf Treppenliften balancieren, die Grauhaarigen lachen sich schier kaputt.
Häuptling Silberlocke hält grinsend eine ergraute Squaw im Arm und nach einem flotten Seniorenheim Ausschau, von dem aus es sich gut joggen oder auf Dreitausender kraxeln lässt. Zaungucker freuen sich so sehr am Glück der beiden, dass sie umgehend den nächsten Jungbrunnen ansteuern. Die Generation 66 plus wird auch Generation Silber genannt. Werden zwölf Leute für Werbezwecke abgelichtet, lacht das Dutzend so lustvoll, als hätte es den Jackpot geknackt. Spätestens wenn die erste Rente aufs Konto kommt, hat man so vergnügt zu sein wie ein Dackel, der noch nicht dahintergekommen ist, dass in seinem Napf geriebene Möhren sind.
Die Generation Silber, so merkt der sofort, der zu Hause hockt und mit dem Zustand der Welt hadert, lässt sich nie den Schneid abkaufen. Schon gar nicht durch so grämliche Vokabeln wie Gedächtnistraining, Mahlzeitenservice, Notrufsysteme, Wege zur uneingeschränkten Mobilität und Stressabbau im Alter. Alte Menschen gibt es heute nicht mehr, allerhöchstens Greise. Und auch die, so sehen wir an Jopie Heesters, können noch singen und behaupten, sie liebten das Leben.
Bestager (neudeutsches Wort englischen Ursprungs) machen um sieben Uhr in der Früh Kniebeugen und lachen dabei so schallend, dass der Wellensittich sich wegen Lärmfolter beim Tierschutzverein beschwert. Klingelt der junge Mann, der das Essen auf Rädern ausliefert, hetzt die Hausfrau drei Treppen herunter und drückt dem Burschen ein Bussi auf die Wange, denn in ihr steckt die Kraft von zwei Herzen.
Warum begegne ich solch gut gelaunten Senioren nie in Bussen und Bahnen? Betrübt stehen dort die Alten herum und sehen aus, als hätte ihnen das Leben mächtig zugesetzt. Offenbar hat ihnen niemand erklärt, dass es im Alter ein Riesenspaß ist, von jungen Leuten herumgeschubst zu werden.
Die Romantik von gestern
Die feinen Spitzentaschentücher, die zu Boden fallen und von Kavalieren aufgehoben werden, gibt es höchstens noch in Operetten und Biedermeierlustspielen. Auch sorgt kein Fächer mehr dafür, dass Eva und Adam
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