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Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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mir gut…«
»Ich werde niemandem davon erzählen«, beruhigte Brad den
Jungen. »Aber ich würde gern wissen, was geschieht, wenn du
im Sturm hier draußen bist.«
»Nichts Besonderes. Missy meint immer, sie sieht
irgendwelche Dinge, wenn wir zusammen draußen sind, aber
eigentlich geschieht nichts. Manchmal geh’ ich allein raus, und
manchmal kommt sie mit«, erklärte er hastig, als ob er Brads
Frage vorwegnehmen wollte. »Aber sie will eigentlich gar
nicht mit raus, ich muß sie immer überreden; sie ist eben ein
alter Angsthase!«
»Und was war in jener Nacht, als wir uns am Strand
begegnet sind? Missy war da nicht dabei.«
»Ich habe Snooker gesucht, und sie wollte nicht mitkommen.
Sie sagte, er wäre für immer verschwunden, und es hätte
keinen Sinn, ihn zu suchen.« Robby wirkte plötzlich sehr
traurig. »Ich glaube, sie hatte sogar recht…«
»Hast du noch andere Leute gesehen, wenn du bei Sturm
hier draußen bist?«
Robby dachte angestrengt nach. Der einzige, den er wirklich
gesehen hatte, war dieser alte Mann vor ein paar Wochen.
»Einmal haben wir den alten Mac Riley gesehen. Er hat uns
Geschichten über die Indianer erzählt, und wie sie hier Opfer
getötet haben und solche Dinge. Sonst niemand…«
Brad versuchte, das eben Gehörte zu ordnen. Alles klang
absolut normal. Doch seine Ahnungen und seine Neugier
waren stärker. »Hast du eigentlich nie Angst, wenn du bei
Sturm allein hier draußen bist?«
Robby blickte verwundert zu ihm auf. »Nein«, meinte er
dann wie selbstverständlich, »warum sollte ich Angst haben,
ich gehöre hierher.« Bevor Brad die Bedeutung dieser Antwort
richtig begriffen hatte, machte der Junge kehrt und rannte zum
Haus zurück. Was hatte er wohl damit gemeint? Er ›gehörte
hierher‹? Er war doch genauso ein Fremder hier wie seine
Eltern und seine Schwester. Und wie er und Elaine…
    Als Brad kurze Zeit später ins Haus zurückkehrte, nahm ihn
Glen sofort zur Seite. Gespannt und besorgt fragte er: »Und –
was meinen Sie?«
    »Ich habe mir noch kein richtiges Urteil bilden können«,
antwortete Brad langsam. Wie gern hätte er eine einfache
Lösung für all die unheimlichen Geschehnisse gefunden, die
Clark’s Harbor heimgesucht hatten. »Es muß irgend etwas mit
den Stürmen hier draußen zu tun haben. Robby sagt, sie
würden ihn erregen. Und wenn das bei ihm so ist, kann es auch
noch bei andern der Fall sein. Doch seine ›Erregung‹ empfindet
er offensichtlich zugleich als entspannend, beruhigend. Andere
jedoch verlieren dadurch vielleicht jede Kontrolle über sich,
und sie tun Dinge, die sie sonst nicht tun würden. Aber das
alles sind wirklich nur Vermutungen…«
    Brad behielt vorläufig für sich, was der Junge ihm über
Missy und ihre Ahnungen gesagt hatte. Zuerst einmal wollte er
selbst noch mit dem kleinen Mädchen sprechen.
    Während das Licht des Nachmittags dahinzuschwinden
begann, starrte er, innerlich aufs höchste beunruhigt, hinaus auf
den Stillen Ozean.
    Er spürte, daß hier Dinge geschahen, die sich mit den ihm
vertrauten rationalen und analytischen Kriterien nur
unzulänglich beschreiben ließen. Trotzdem mußte es
Erklärungen dafür geben – und er wollte sie finden.
    Doch was nützten ihm Erklärungen, wenn die Therapie
fehlte? Handelte es sich hier um Phänomene, vor denen seine
psychiatrische Schulweisheit die Waffen strecken mußte?
Waren er und alle andern hier dem neu heraufziehenden Sturm
und seinen unkalkulierbaren Wirkungen hilflos ausgeliefert?
23
    Elaine Randall hatte sehr unruhig geschlafen. Es war nicht nur
die ungewohnte neue Umgebung, sondern das, was Brad
gestern abend gesagt hatte. Zunächst hatte sie es nicht so recht
glauben wollen, aber dann erinnerte auch sie sich an Beispiele
für die Auswirkungen des Wetters auf das Fühlen und
Verhalten von Menschen – die Ionisierung der Atmosphäre, die
Santa-Ana-Winde, der Föhn in den Alpen… Warum sollte es
so etwas nicht auch hier in Clark’s Harbor geben? Aber noch
nie hatte sie gehört, daß Wetterlagen Menschen zu Bestien
machen. Immer wieder war sie aufgeschreckt und lag dann
lange schlaflos neben Brad, grübelte vor sich hin und lauschte
der regelmäßig und schwer gegen das Land schlagenden
Brandung.
    Zweimal war sie leise aufgestanden und ans Fenster getreten.
Es hatte etwas aufgeklart, und sie sah den Großen Wagen
droben am Nachthimmel stehen. Im Licht des Halbmonds
schimmerte der Strand wie matt poliertes Zinn.
    Erst gegen Morgen verfiel sie dann in einen

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