Am Strand des Todes
unruhigen
Schlummer, bevor es Zeit wurde, wieder den Kampf mit dem
widerwilligen Holzherd aufzunehmen. Rebecca hatte ihr
gezeigt, wie man die Glut über Nacht konservieren konnte,
aber sie war sich nicht sicher, ob es tatsächlich funktionieren
würde. Für alle Fälle lag ein kleiner Blasebalg bereit.
Vorsichtig stocherte sie in der Asche herum und stieß dabei auf
ein halb verkohltes Scheit. Als es entzweibrach, sah sie zu
ihrem Erstaunen, daß sein Inneres noch glomm. Sie griff nach
dem Blasebalg und begann hektisch zu pumpen. Die
ungewohnte Tätigkeit nahm sie so sehr in Anspruch, daß sie
Brads Eintreten und seinen Guten-Morgen-Gruß völlig
überhörte.
Brad beobachtete sie einen Augenblick und nahm ihr dann
den Blasebalg aus der Hand.
»Du bist viel zu hektisch«, sagte er, »du bläst ja das Feuer
sofort wieder aus, wenn es gerade aufflammen will. Du mußt
das behutsamer machen.« Er zeigte es ihr, und gleich darauf
züngelte eine kleine Flamme auf. Brad legte einige kleine
Späne nach, und als auch diese zu brennen begannen, etwas
größere Scheite.
»Die einfachste Sache der Welt!« sagte er.
»Anfängerglück«, lächelte Elaine, »es brannte schon fast, als
du dich eingemischt hast. Gib mir bitte den Kaffee.«
Sie maß die Menge sorgfältig ab und hängte dann den
Einsatz in die Aluminium-Kaffeemaschine, die bereits auf dem
Herd stand.
»Wenn der immer so lange dauert, werd’ ich in Zukunft auf
Kaffee verzichten«, meinte sie. »Was meinst du, wann wir ihn
endlich trinken können – vorausgesetzt, es klappt überhaupt?«
»Keine Ahnung, warten wir’s ab«, antwortete Brad, als es an
der Tür klopfte.
»Jemand da?« hörte man Rebeccas Stimme. Bevor sie
antworten konnten, trat sie ein.
»Ich dachte, das hier könnten Sie gebrauchen«, meinte sie
heiter und stellte eine Thermosflasche auf den Tisch. Sie
schraubte sie auf, und sofort erfüllte der würzige Duft frischen
Kaffees die Küche. Elaine goß drei Tassen ein. Gierig trank sie
den ersten Schluck.
»Ah, das bringt mich wieder auf die Beine!« Dann wandte
sie sich mit fragendem Blick an Rebecca. »Sind Sie vielleicht
Jeff begegnet?«
»Jeff? Ist er denn nicht hier?«
»Ich dachte, ich hätte ihn weggehen gehört, kurz bevor ich
aufstand«, erklärte Elaine. »Vielleicht will er noch mal nach
Wrackteilen suchen.«
»Ich hab’ ihn am Strand nicht gesehen«, sagte Rebecca.
»Wahrscheinlich ist er Richtung Süden gegangen«,
vermutete Brad. »Allerdings glaube ich kaum, daß er noch
etwas finden wird.«
Chip Connor traf Harney Whalen am Schreibtisch an. Finster
saß er über dem Protokoll, das Chip ihm am Abend zuvor
dagelassen hatte.
»Erwartest du, daß ich in dieser Sache irgendwas
unternehme?« fragte er anklagend und schob die Blätter von
sich.
»Gehört zu deinem Job«, erwiderte Chip.
»Irgendwas gestohlen?«
»Soweit mir Glen sagen konnte, nichts. Aber du solltest dir
die Galerie mal ansehen«, meinte Chip, »ein heilloses
Durcheinander.«
»Nun, so Dinge geschehen eben«, reagierte Whalen völlig
unbeeindruckt. »Wenn nichts gestohlen wurde, was soll dann
die ganze Aufregung?«
»Du meinst, du wirst überhaupt nichts unternehmen?« Chip
meinte, seinen Ohren nicht trauen zu können.
»Nein«, sagte Wahlen schwer, »nichts.«
Chips Augen verengten sich. »Ich weiß nicht, was mit dir los
ist, Harn. In letzter Zeit sieht es so aus, als ob dich alles hier
nicht mehr kümmert.«
»Nicht, wenn es sich dabei um Fremde handelt«, gab ihm
Whalen zu verstehen, »und ich habe meine Gründe dafür.«
»Ich kenne diese Gründe«, erwiderte Chip, »Großvater hat
mir davon erzählt. Aber das ist doch alles Vergangenheit,
Harney. Das alles liegt doch viele Jahre zurück. Die Welt hat
sich verändert.«
»Manches verändert sich, manches nicht. Manche Dinge
kann man vergeben, andere nicht. Ich hab’ nicht vergessen,
was meinen Großeltern zugestoßen ist – das werde ich nie!
Und soweit es mich betrifft, mag ich keine Fremden in dieser
Stadt. Sie bringen Unheil.«
»Sieht mir ganz so aus, als ob unsere Stadt für sie
gefährlicher ist als sie für uns«, widersprach Chip.
»Das ist hier eben nun mal so!« Whalens Stimme war von
einem solchen Haß erfüllt, wie Chip ihn noch nie erlebt hatte.
»Als meine Großeltern hierherkamen, lauerten überall
Gefahren. Die Indianer hätten die verdammten Weißen am
liebsten ins Meer geworfen. Aber meine Großeltern ließen sich
nicht einschüchtern und kamen schließlich ganz gut hier
zurecht. Mein Vater
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