Am Strand des Todes
Angriff auf die Küste formierten. Noch immer
fiel ein leichter Regen und machte den Sand zu einer festen,
kompakten Masse. Die Ebbe hatte das Wasser weit
hinausgezogen, und der flache Strand war mit kleinen Tümpeln
durchsetzt.
Glen ging bis zur Wasserlinie hinaus und wandte sich dann
südwärts. Er bewegte sich langsam, fast widerwillig. Wie sollte
er das Geschehene Rebecca nahebringen, ohne sofort wieder
größte Ängste bei ihr auszulösen?
Wahrscheinlich würde sie Clark’s Harbor sofort und
endgültig den Rücken kehren wollen, überwältigt von hilfloser
Wut gegen diesen Akt der Barbarei. Vielleicht aber auch würde
sie sich dem Kampf stellen, um aller Welt zu zeigen, daß sie
nicht so leicht einzuschüchtern war. Letzteres wäre vielleicht
sogar noch wahrscheinlicher…
Er täuschte sich. Er war noch rund fünfzig Meter vom Haus
entfernt, als Rebecca ihn bemerkte und ihm entgegenkam.
»Es ist geschehen, habe ich recht?« fragte sie leise.
Glen blickte ihr überrascht entgegen und nickte stumm.
»Und was war es?«
»Die Galerie ist völlig zerstört«, berichtete Glen.
»Zerstört – du meinst, es ist jemand eingebrochen?«
»Jemand ist eingebrochen und hat alles kurz und klein
geschlagen, die Einrichtung, deine Töpfereien, meine Bilder –
bis auf eines…«
»Und welches?« wollte Rebecca wissen, als ob alles andere,
verglichen damit, keine Rolle spielte. Glen merkte, daß sie sich
über die Tragweite des Geschehens zumindest im Augenblick
keine Rechenschaft ablegen wollte. Ganz offensichtlich kannte
er seine Frau lange nicht so gut, wie er gedacht hatte.
»Das, das ich Chip schenken wollte«, antwortete er leise.
Rebecca wandte sich nach dem alten Haus um, dem Motiv
für Glens Gemälde.
»Irgendwie paßt das«, meinte sie. Dann schob sie ihren Arm
unter den ihres Mannes und blickte ihm aufmunternd in die
besorgten Augen. »Laß es uns zumindest für den Augenblick
vergessen. Wenn wir jetzt sofort eine Entscheidung fällen, wird
sie bestimmt voreilig sein. Warten wir also noch ein bißchen
damit – in Ordnung? Unterhalten wir uns darüber zuerst mit
Brad und Elaine, und tun wir so, als ob das alles nicht so
wichtig wäre. Im Bett ist dann immer noch Zeit, sich über alles
klarzuwerden…«
Glen zog sie an sich und küßte sie zärtlich. »Wenn wir
unsere Entscheidung im Bett fällen, weiß ich jetzt schon, daß
wir hierbleiben. Dort scheinen uns die unmöglichsten Dinge
möglich zu sein!«
»Warten wir’s ab«, murmelte Rebecca. »Aber für den
Augenblick wollen wir’s vergessen – ja?«
Das Chaos im Haus der Randalls war kaum geringer als das in
der Galerie. Glen hatte es mit erzwungener Heiterkeit bemerkt.
Als Brad dann hörte, was in der vorausgegangenen Nacht
geschehen war, wollte er wissen, ob Robby die ganze Zeit über
sein Bett nicht verlassen hatte. Die Verwüstungen’ glichen
allzusehr denen, die der Junge bei seinen früheren Anfällen
verursacht hatte. Als dann die Kinder endlich von der Schule
heimkamen, nahm er den Jungen unter einem Vorwand zu
einem Strandspaziergang mit.
»Es ist wirklich schön hier draußen«, sagte er beiläufig, als
sie außer Hörweite der anderen waren. Robby nickte nicht
gerade begeistert.
»Dein Vater sagte mir, daß du gern hier draußen bist«,
bohrte er vorsichtig weiter.
»Ja, das stimmt, aber ich mag’s am liebsten, wenn es
regnet.«
»Warum denn das?«
Robby schien darüber nachzudenken. Niemand hatte ihn das
je gefragt, und für ihn war es immer selbstverständlich
gewesen. Es war, als ob er laut überlegte. »Ich glaube, es regt
mich irgendwie auf, wenn sich ein Sturm zusammenbraut«,
begann er. »Aber nicht so eine Aufregung wie am Geburtstag
oder an Weihnachten, wenn man etwas geschenkt bekommt. Es
ist ein anderes Gefühl. Ich werde nervös, und es kribbelt mich
überall, und manchmal kann ich mich irgendwie nicht mehr so
bewegen, wie ich will. Aber es ist ein schönes Gefühl. Es ist
aufregend und beruhigend zugleich. Wenn ich bei solchem
Wetter am Strand bin, würde ich mich am liebsten einfach in
den Sand legen und den Regen auf mich herabprasseln
lassen…«
»Du gehst bei Sturm an den Strand?« fragte Brad und
versuchte möglichst ruhig zu klingen. Aber Robby schien
sofort zu spüren, daß ihm Gefahr drohte. Erschrocken starrte er
den Erwachsenen mit weit aufgerissenen Augen an.
»Sagen Sie nichts davon Mami und Papi«, bettelte er, »sie
dürfen es nicht wissen. Sie würden denken, ich sei noch immer
krank, aber die Stürme tun
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