Am Strand des Todes
hat sogar ein Mädchen geheiratet, das
Indianerblut in den Adern hatte. Aber das alles weißt du ja…«
Chip nickte und fragte sich, worauf Whalen hinauswollte.
»Die Indianer sind später dann nach Norden verschwunden
und ließen uns hier allein. Aber sie sagten uns, daß der Platz
hier nicht gut sei für Fremde – und das stimmte auch. Das
begann mit diesen Holzleuten, die sich schließlich doch
geschlagen geben mußten.«
»Woran du nicht ganz unbeteiligt warst«, wandte Chip ein,
»zuerst dein Großvater und dann du selbst…«
»Ich habe lediglich einen Mietvertrag nicht verlängert, das
war alles«, widersprach Whalen sanft. »Wären sie dann sofort
verschwunden, wär’ ihnen auch nichts geschehen. Aber sie
blieben und versuchten es mit Fischfang – und dabei geschah
es…«
»Ich weiß«, sagte Chip dumpf.
»Und seitdem ist es immer so gewesen«, fuhr Whalen fort.
»Immer wenn Fremde auftauchen, gibt es Schwierigkeiten.
Und dann geschieht das, was die Indianer voraussagten: Das
Unheil schlägt auf die Fremden zurück. Und weißt du was,
Chip? Wir können auch nicht das Geringste dagegen tun!«
»Aber du versuchst es ja nicht mal.«
»Nicht mehr, nein«, nickte Whalen, »früher hab’ ich’s
versucht, aber es hat nie was genützt. Deshalb finde ich mich
eben damit ab – und es bereitet mir keineswegs schlaflose
Nächte, das nicht!« Er griff wieder nach Chips Protokoll.
»Also erwarte nicht, daß ich mir deswegen ein Bein ausreiße.
Ich bin sicher, daß alle Nachforschungen erfolglos blieben –
jeder hätte es tun können, und es gibt keinerlei Anhaltspunkte.
Wenn ich du wäre, würde ich die ganze Sache vergessen. Und
sag Palmer, daß er immer auf solche Dinge gefaßt sein muß,
solange er meint, in Clark’s Harbor bleiben zu müssen.«
Chip nickte wie abwesend und war bereits am Gehen, als
ihm noch etwas einfiel.
»Bist du gestern bei Dr. Phelps gewesen?«
»Ja«, sagte Whalen in einem Ton, der alles zu erklären
schien. Aber Chip ließ nicht locker.
»Irgendwas nicht in Ordnung?«
»Nichts, soweit er feststellen konnte. Muß wohl eine
Magenverstimmung gewesen sein, die mich in jener Nacht
nicht schlafen ließ.«
Whalen fragte sich kurz, warum er Chip belog, warum er
ihm nichts von seinen ›Anfällen‹ erzählte. Aber schließlich
ging das Chip nichts an. Und wenn der Arzt nichts finden
konnte, war es auch nicht der Rede wert.
»Also, wenn du mich brauchen solltest, kannst du mich über
Funk jederzeit erreichen. Ich werde mich bei Glen Palmer ein
wenig nützlich machen, halte aber das Gerät empfangsbereit.«
Whalen warf seinem Stellvertreter einen finsteren Blick zu.
»Was du an deinen freien Tagen tust, geht mich nichts an, aber
ich glaube, du vergeudest deine Zeit. Und wenn du dich mit
Palmer einläßt, kannst auch du leicht in Schwierigkeiten
kommen.«
»Das verstehe ich ganz und gar nicht«, sagte Chip voller
Ärger über Whalen.
»Das dürfte einfach unvermeidlich sein«, fügte dieser fast
bedrohlich hinzu. Er zog eine Akte aus der oberen
Schreibtischschublade, wie um anzudeuten, daß Chip entlassen
sei.
Als sich die Tür hinter dem Hilfssheriff schloß, hob Harney
Whalen den Blick und starrte gedankenverloren hinter ihm her.
Irgend etwas in Chips Gesicht war ihm heute verändert
erschienen.
Dieses Gesicht, das er schon seit Jahrzehnten kannte, war
ihm plötzlich fremd geworden.
Ja, das war es, sinnierte Whalen: Chip hatte sich in einen
Fremden verwandelt.
Er konzentrierte sich mit Gewalt auf seine Arbeit und beugte
sich wieder über die Akte.
»Ein Bier?« fragte Glen, als Brad die Galerie betrat. Er und
Chip lehnten gegen ein Regal und bewunderten die geleistete
Arbeit. Das Chaos war verschwunden, die Regale wieder fest
verdübelt und alle Schaukästen bis auf einen repariert.
»Ich dachte, hier läge alles in Trümmern«, meinte Brad nicht
wenig verwirrt.
»Es war offensichtlich doch nicht ganz so schlimm, wie ich
gedacht habe«, erwiderte Glen etwas verlegen. »Natürlich hätte
ich es allein auch nie so gut wiederherrichten können.«
»Er hat mir den ganzen Tag nur im Weg rumgestanden«,
grinste Chip. »Ich hab’ ihm geraten, lieber inzwischen ein Bild
zu malen, aber er wollte nicht.«
»Nun, wenn Sie Probleme mit ihm haben, dann nehme ich
ihn mit in die Bibliothek.«
»Die Bibliothek?« fragte Chip erstaunt. »Wieso die
Bibliothek?«
Brad warf Glen einen fragenden Blick zu. Dieser nickte ihm
aufmunternd zu. »Wenn er mich nicht für verrückt hält, wird er
es bei Ihnen erst
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