Am Strand des Todes
unvermittelt: »Sind Sie
eigentlich hierhergekommen, um eine Anzeige zu machen oder
um Harney Whalen zu beschuldigen?«
Glen schien überrascht. Er überlegte sich seine Antwort
genau. »Wenn ich ehrlich bin – ich weiß es nicht«, meinte er
schließlich. »Beides wahrscheinlich. Natürlich wollte ich
Anzeige erstatten, aber ich war auch voller Wut auf diesen
Whalen.« Er zwang sich ein leichtes Lächeln ab. »Wie ich
schon sagte – gut, daß er nicht da ist.«
»Scheint mir auch so«, stimmte Chip zu. »Fühlen Sie sich
jetzt wieder stark genug, um rüber zur Galerie zu gehen? Ich
kann dann alles gleich aufnehmen, und wir können überlegen,
was wir unternehmen wollen.«
»Unternehmen? Was gibt es da noch zu unternehmen! Alles
hin!«
»Schauen wir es uns zuerst mal an«, meinte Chip wie
tröstend. »Vielleicht läßt sich doch noch etwas machen…«
»Großer Gott!« stieß Chip hervor, als er das Chaos sah.
»Sieht aus, als ob eine ganze Elefantenherde hier gehaust
hätte!« Er zog sein Notizbuch heraus und begann
Aufzeichnungen zu machen. Zuerst im vorderen und dann im
hinteren Raum.
»Hier sind sie reingekommen«, deutete er auf die Hintertür,
die ziemlich schief im Rahmen hing.
Glen starrte mit ausdruckslosem Gesicht die zerfetzten
Bilder an.
»Lassen sie sich wirklich nicht mehr reparieren?« fragte
Chip voller Mitgefühl.
Glen schüttelte den Kopf. »Kleinere Risse kann man schon
flicken – aber nicht so etwas.«
Chip hätte ihm gern etwas Tröstliches gesagt. »Ich weiß ja
nicht, ob das für Sie überhaupt noch von Interesse ist. Aber die
Einrichtung ließe sich schon wieder herrichten. Nur, was
verkaufen Sie dann?«
»Nichts mehr zu machen«, seufzte Glen mutlos.
»So würde ich das nicht sehen«, meinte Chip. »Natürlich
müßte man das Glas ersetzen, aber die Kästen selbst lassen sich
reparieren.« Er lächelte. »Schließlich wurden die Regale ja
nicht zum erstenmal aus der Wand gerissen.«
»Es würde wieder passieren«, meinte Glen düster.
»Nicht, wenn wir eine Alarmanlage einbauen – und nicht,
wenn wir herausfinden, wer es getan hat.«
»Oh, kommen Sie, Chip, wir werden nie herausfinden, wer
es war, und das wissen Sie!«
»Warum sollten wir nicht?« fragte Chip; doch er wußte, daß
es keinen Sinn hatte, sich etwas vorzumachen.
»Wahrscheinlich haben Sie recht… Verdammt, wir haben
schließlich noch nicht einmal ein Motiv dafür.«
»Vermutlich wissen Sie, wie ich darüber denke?« meinte
Glen.
»Darf ich einen Vorschlag machen?« fragte Chip und
ignorierte absichtlich die Anspielung des anderen. »Nehmen
Sie sich den Tag frei und gehen Sie heim, um Rebecca von
dem Vorgefallenen zu unterrichten. Sie können dann
zusammen entscheiden, was weiter geschehen soll, und wir
beginnen dann morgen mit dem Aufräumen. Mein dienstfreier
Tag.«
»Also gut. Aufgeräumt werden muß auf jeden Fall.« Glens
Gesicht wirkte plötzlich bestürzt. »Es ist gerade eine Stunde
her, als Rebecca meinte, daß sich irgendwas zusammenbraut …
Ich habe noch darüber gelacht. Leider hatte sie recht…«
Sie waren inzwischen wieder nach vorn gegangen, als Glen
ganz unvermittelt noch einmal in den hinteren Raum
zurückeilte. »Sie haben doch nicht alles erwischt«, strahlte er
beim Zurückkommen und schwenkte ein Bild. »Das hier hatte
ich zur Seite gestellt – für einen besonderen Zweck.«
Chip warf einen neugierigen Blick darauf. Es war das alte
Haus an der Sod Beach mit dem seltsamen Schatten im
Fenster.
»Ich freu’ mich, daß es ausgerechnet dieses hier ist«, meinte
Glen, »ich habe es nämlich für Sie zur Seite gelegt Chip. Bitte,
nehmen Sie es, ich möchte es Ihnen schenken.«
»Mir schenken? Aber warum denn?«
»Sie haben es sich verdient. Am Tag der Fertigstellung der
Galerie sollten Sie es bekommen. Sie nehmen es besser gleich
mit – vielleicht ist es sonst nicht mehr da.«
»Aber das geht doch nicht«, protestierte Chip, »es ist das
einzige, das Ihnen geblieben ist!«
Doch wenig später verließ er mit dem Bild unter dem Arm
die Galerie und überlegte, wo er es aufhängen sollte.
Harney Whalen saß in Dr. Phelps nicht gerade ordentlichem
Sprechzimmer und beschrieb, was am vorausgegangenen
Nachmittag geschehen war. Der alte Arzt hörte geduldig zu,
zuckte aber dann etwas ungehalten mit den Schultern.
»Ich versteh’ nicht, was Sie bei mir wollen«, meinte er, »Sie
haben vielleicht etwas langsam reagiert, aber schließlich hat
jeder seine Schrecksekunde.«
»Aber es war mehr als das«, beteuerte
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