Am Strand des Todes
beruhigen, »es ist doch viel zu
dunkel.« Ohne die geringste Nervosität oder gar Angst führte
er sie den Pfad entlang. Über ihnen bog der Sturm die Wipfel
der Bäume, und Robby wünschte sich insgeheim, daß er ewig
dauerte.
Um neun Uhr an diesem Abend tippte die Bibliothekarin der
winzigen Stadtbücherei von Clark’s Harbor – zwei Räume im
kleinen Rathaus – Brad Randall auf die Schulter. Brad blickte
von seinem Notizbuch auf, das in den fünf Stunden, die er
schon hier zusammen mit Glen zugebracht hatte, fast voll
geworden war.
»Wir schließen«, flüsterte die grauhaarige, ältere Dame,
obwohl kein anderer Besucher zu sehen war. »Sie müssen am
Montag weitermachen.«
»Geht in Ordnung«, meinte Brad, »ich bin so gut wie fertig.«
Er warf der Bibliothekarin ein verzeihungheischendes Lächeln
zu. »Ich hoffe, wir haben Ihnen nicht zu viele Umstände
gemacht.«
»Oh, das macht doch nichts«, erwiderte sie. »Die meiste Zeit
sitze ich hier allein herum. Da ist es ganz schön, ab und zu
etwas zu tun zu haben. Aber was Sie mit all den Zeitungen hier
wollen, ist mir völlig unerklärlich.«
»Ich hab’ nur ein paar Dinge nachgesehen«, erklärte Brad
vage. »Es handelt sich um eine Art Forschungsprojekt zur
Geschichte der Stadt.«
»Geschichte dürfte wohl etwas übertrieben sein«, mokierte
sich sein Gegenüber. »Man kommt hier zur Welt, versucht zu
leben und stirbt. Das ist alles.«
»Und genau das interessiert mich«, meinte Brad lächelnd.
Die Augen der Grauhaarigen weiteten sich erstaunt, doch bevor
sie weiteres sagen konnte, kam Glen Palmer aus dem
Nebenraum.
»Ich glaube, das genügt«, sagte er. »Wir haben sämtliche
Berichte bis zum Anfang zurückverfolgt.«
»Ja, ich glaube auch. Unsere Informationen dürften völlig
ausreichen.«
Nachdem Brad und Glen gegangen waren, stellte die
Bibliothekarin die Zeitungsbände zurück in die Regale. Sie
mußte unbedingt mit Merle Glind über diese Sache sprechen.
Wenn irgend etwas Interessantes vorging, wußte er bestimmt
davon. Die beiden hasteten durch den sintflutartigen Regen auf
Brads Wagen zu. Als sie auf den Highway einbogen, hatte
Brad Mühe, den Volvo unter dem Ansturm der orkanartigen
Böen in der Spur zu halten.
»Wollen Sie Ihren Bus nicht lieber bei der Galerie
stehenlassen?« schlug Brad vor; aber Glen schüttelte den Kopf.
»Nicht bei einem solchen Sturm. Falls Ihre Theorie stimmt,
ist das wieder eine dieser Nächte, in der alles mögliche
geschehen kann.«
Brad lachte zustimmend in sich hinein. Er hielt direkt neben
dem verbeulten Volkswagenbus. »Wollen Sie nicht noch kurz
bei uns reinschauen? Würde mich gar nicht wundern, wenn
Rebecca und die Kinder Elaine Gesellschaft leisten.«
»Ja, gut«, sagte Glen. »Dann bis gleich.«
Als sie eintraten, blickten ihnen die beiden Frauen mit
besorgten Gesichtern entgegen.
»Alles in Ordnung«, beruhigte Brad sie. »Wir sind heil und
sicher zurück; keinerlei tragische Zwischenfälle.«
Aber sein aufmunterndes Grinsen wirkte keineswegs
ansteckend. Die beiden Frauen tauschten nervöse Blicke, bis
Elaine herausplatzte.
»Die Kinder sind heute am Strand gewesen. Sie kamen
ungefähr eine halbe Stunde, nachdem das Unwetter einsetzte,
zurück. Missy ist fest davon überzeugt, daß sie jemand am
Strand gesehen hat, weiß aber nicht, wen.«
»Wo sind sie?« fragte Brad.
»Wir haben sie ins Bett gesteckt«, erklärte Rebecca. »Sie
waren bis auf die Haut durchnäßt, und Missy war völlig
verängstigt.«
Missy denkt, sie sieht Dinge – Robbys Worte kamen Brad in
den Sinn, aber er behielt das im Augenblick wohl besser für
sich.
»Habt ihr irgendwas in der Bibliothek gefunden?« fragte
Elaine fast zögernd, als ob sie vor der Antwort Angst hätte.
Brad nickte. »Irgend etwas geht hier vor«, meinte er. »Wir
sind heute abend jede Menge Zeitungen durchgegangen.
Jedesmal, wenn hier einer dieser ›Unfälle‹ geschah, tobte ein
Unwetter wie heute nacht. Und je schrecklicher die Unwetter
sind, desto schrecklicher sind auch die Unfälle – ist das nicht
seltsam?« Er ließ sich durch den betroffenen Gesichtsausdruck
der beiden Frauen nicht mehr bremsen. »Wußtet ihr zum
Beispiel, daß die Shellings nicht die ersten waren, die auf diese
Weise hier umgekommen sind?«
»Was soll das heißen?« fragte Rebecca und wurde blaß.
»Die Leute, die dieses Haus hier gebaut haben, erlitten
dasselbe Schicksal«, sagte Glen leise. »Baron wurde von
seinen eigenen Netzen unter Wasser gezogen, und ein paar
Tage danach
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