Am Strand des Todes
Seit wann braucht ihr eine Lampe?«
»Nur für heute nacht«, bettelte Missy. »Ich mag diesen
Sturm nicht.«
»Das ist doch nur ein wenig Wind, und auch die Blitze und
der Donner können euch überhaupt nichts tun, Liebling.«
»Und was ist mit Snooker«, wollte Robby wissen, »kann er
heute bei uns schlafen?«
Der Spaniel stand mit erwartungsvollen braunen
Hundeaugen im Durchgang. Glen hätte fast nachgegeben, doch
dann entschied er sich anders.
»Nein«, sagte er bestimmt, »das geht nicht. Ihr wißt sehr gut,
daß Hunde nach draußen gehören, nicht wahr?«
»Aber er wird ganz naß werden«, wandte Missy ein.
»Er wird’s überleben, außerdem schläft er sowieso unter
dem Haus.«
Bevor die Kinder noch weitere Proteste äußern konnten,
küßte Glen sie und griff nach der Lampe. »Also, dann bis
morgen«, sagte er und zog die Tür hinter sich zu.
Er setzte den unwillig jaulenden Snooker vor die Hütte und
kümmerte sich dann um Rebecca. Den Arm um sie legend,
tröstete er sie: »Nimm’s nicht so tragisch, bis morgen hat
dieser Blake die Sache mit dem verdammten Geschirr längst
wieder vergessen.«
»Meinst du? Aber ich habe gerade an was ganz anderes
gedacht – Robby.«
»Robby?«
»Wie kann er nur Dr. Randall vergessen haben?«
»Kinder tun das.«
»Aber Glen, er hat zwei, drei Stunden pro Woche mit
Randall verbracht – und das fast drei Jahre lang.«
»Dann hat er es verdrängt«, meinte Glen achselzuckend,
»was hat das schon zu bedeuten.«
»Ich hab’ nicht behauptet, daß es viel zu bedeuten hat«,
erwiderte Rebecca, »aber es kommt mir… irgendwie seltsam
vor…«
Sie schwiegen beide, lauschten dem Wind und der lauten
Brandung des Meeres.
»Ich bin trotz allem gern hier«, sagte Rebecca nach einer
Weile leise. »Selbst wenn ich an einem Tag meine, ich kann es
nicht mehr aushalten, brauche ich nur eine Zeitlang dem Meer
zuzuhören und habe dann das Gefühl, es wird alles wieder
gut.« Sie drückte sich an ihn. »Es ist doch so – es wird doch
wieder gut?«
»Natürlich«, beruhigte sie Glen, »es braucht eben alles seine
Zeit.«
Als sie einige Zeit danach selbst schlafen gehen wollten,
hörten sie etwas aus dem Zimmer der Kinder. Sie trafen Missy
aufrecht im unteren Bett sitzend, während Robby vorwurfsvoll
auf sie hinabblickte.
»Ich habe ihr gesagt, sie soll euch in Ruhe lassen«, empfing
Robby sie wichtigtuerisch.
»Ich hab’ draußen etwas gehört«, erklärte Missy, ohne den
Bruder zu beachten.
»Was hast du denn gehört, Liebling?« fragte Rebecca sanft.
»Ich weiß nicht, aber da war was.«
»Hat etwas geraschelt?«
Das kleine Mädchen nickte eifrig.
»War wahrscheinlich ein Ast, der an der Hauswand kratzte«,
meinte Glen beruhigend.
»Oder der alte Snooker, der irgendwas gesucht hat«, schlug
Robby vor.
»Nein, es war anders«, beharrte Missy, »da draußen ist was.«
Glen ging zu dem kleinen Fenster und schob den
improvisierten Vorhang zur Seite. Es war so dunkel draußen,
daß nichts zu erkennen war. Trotzdem spähte er angestrengt
nach allen Seiten, bevor er den Vorhang zurückfallen ließ und
sich wieder Missy zuwandte, die ihn mit ängstlicher
Aufmerksamkeit beobachtet hatte. »Nichts zu sehen. Da
draußen ist nichts.«
Missy war nicht überzeugt. »Kann ich heute nacht bei dir
und Mami schlafen?«
»Aber du bist doch kein Baby mehr«, sagte Robby
verächtlich.
Missy verkroch sich noch tiefer unter die Decke, aber
Rebecca beugte sich über sie und küßte sie sanft.
»Schon gut, mein Herz«, murmelte sie, »da draußen ist
wirklich nichts. Außerdem sind Mami und Papi direkt nebenan.
Du brauchst nur zu rufen, und wir sind sofort bei dir.«
Sie richtete sich auf, winkte ihrem Sohn zu und verließ das
Zimmerchen. Glen folgte ihr, nachdem er beiden noch einen
Gutenachtkuß gegeben hatte.
»Schläfst du?« flüsterte Robby.
»Nein«, kam Missys Stimmchen aus der Dunkelheit. Ein
Blitz zuckte durch den Raum, dicht gefolgt von einem
Donnerschlag.
»Ich möchte, daß es aufhört«, jammerte Missy.
»Ich mag das«, erwiderte Robby, »ich mag dieses Gefühl.«
Kurz war es still, dann hörte man wieder den kleinen Jungen,
»Laß uns rausgehn und Snooker suchen.«
Missy kroch aus dem Bett, ging ans Fenster und blickte
angestrengt hinaus. »Es regnet doch, wir werden ganz naß.«
»Wir können unsere Regenjacken anziehen.«
»Ich glaub’ nicht, daß Snooker da draußen ist«, meinte
Missy zweifelnd.
»Doch, ist er. Papi hat gesagt, er schläft unter dem Haus.«
Robby kletterte herab und kroch
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