Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
würde, längere Zeit hier
zu leben… Sie würde die Tage am Meer verbringen, während
Brad sein Buch schrieb. Vielleicht konnte sie es mit
Aquarellieren versuchen – der Gedanke ließ sie laut auflachen,
noch nie hatte sie daran gedacht, Seelandschaften zu malen.
Das Rauschen der Wellen übertönte das einsame Lachen, und
auch das gefiel ihr. Hier konnte man stundenlang
Selbstgespräche führen, ohne daß man belauscht werden
konnte. Sie versuchte es kurz, um dann wieder schweigend
über den Strand zu blicken.
    Zuerst war sie sich nicht sicher. Doch als sie schärfer
hinblickte, kam es ihr vor, als ob dort irgend etwas im Sand
vergraben sei. Es war nicht mehr als eine sanfte Erhebung am
sonst ebenen Strand, die ihrer Meinung nach nicht durch die
Flut verursacht worden sein konnte. Sie griff nach einem Stock
und ging darauf zu.
    Der kleine Hügel lag ungefähr auf der Mitte zwischen der
Treibholzbarriere und der Wasserlinie, und je näher sie kam,
desto unscheinbarer wurde er. Wäre die Sonne höher
gestanden, hätte sie ihn wahrscheinlich überhaupt nicht
bemerkt; jetzt schon warf er nur einen knappen Schatten. Einen
Augenblick starrte sie zögernd auf ihn hinab, dann stieß sie mit
dem Stock hinein.
    Er drang mühelos vier, fünf Zentimeter ein und stieß dann
auf Widerstand. Sie verstärkte den Druck, worauf er noch
etwas tiefer sank, sofort aber zurückfederte, als sie den Druck
verringerte. Was es auch sein mochte, ein Stein war es nicht.
    Sie begann den Sand wegzuscharren, zuerst mit dem Stock,
dann auch mit den Händen. Ihre Finger berührten etwas
Weiches, wie ein Fell. Ein Seehund, sagte sie sich. Ich habe
einen toten Seehund gefunden. Sie griff wieder nach dem Stock
und grub weiter.
    Erst als sie den Schwanz freigelegt hatte, begriff Elaine, was
sie vor sich hatte. Einen Hund. Ihr erster Impuls war, es dabei
bewenden zu lassen, was sie bei einem Seehund bestimmt auch
getan hätte. Sie hatte ihre Neugier befriedigt und könnte der
Natur ihren Lauf lassen. Aber bei einem Hund war es etwas
anderes. Er hatte jemand gehört, jemand würde ihn vermissen.
Vielleicht auch war er gar nicht tot, sagte sie sich und grub
weiter.
    Gleich darauf lag der Kadaver vor ihr. Elaine hatte zuerst
Angst, sich übergeben zu müssen. Er bot einen
mitleidserregenden Anblick mit seinen verrenkten Gliedern
und dem schweißüberzogenen Fell. Sie sah sofort, daß er schon
einige Stunden tot sein mußte, wollte sich aber vergewissern.
Sanft stieß sie ihn mit dem Stock in die Seite, doch er rührte
sich nicht. Als sie gegen den Kopf stieß, kippte dieser auf
unnatürliche Weise seitwärts, und Elaine sah mit Entsetzen,
daß das Genick gebrochen war. Sie ließ den Stock fallen und
blickte sich unwillkürlich nach Hilfe um. Doch der Strand lag
einsam wie zuvor. Ihr Blick wanderte wieder zu dem toten
Tier, dessen gebrochene Augen zu ihr hochstarrten. Elaine
meinte, darin eine Bitte lesen zu können. Doch alles, was sie
für ihn tun konnte, war, ihn wieder zu begraben. Mit Hilfe des
Stockes scharrte sie ihn rasch wieder ein und hastete dann
blindlings den Strand entlang zurück. Sie konnte nur hoffen,
daß der Anblick des Kadavers ebenso rasch wieder aus ihrer
Erinnerung verschwand wie der Alptraum der letzten Nacht.
    Brad stand am Empfang und unterhielt sich mit dem Wirt, als
Elaine in die Harbor Inn stürzte. Als er die Miene seiner Frau
sah, erstarrte sein Lächeln. Er folgte ihr auf das Zimmer. »Was
ist los?« fragte er, »du siehst aus, als ob du einem Gespenst
über den Weg gelaufen wärst.«
    »Ich hab’ etwas am Strand gefunden«, erwiderte Elaine mit
zusammengepreßten Lippen, »ich glaube, mir wird gleich
schlecht.« Sie ließ sich aufs Bett fallen und preßte die Hände
auf den Magen, als ob sie ihn dadurch beruhigen könnte. Beim
Anblick ihres aschfahlen Gesichts fühlte sich auch Brad sofort
elend. Er setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre
Schultern.
»Was war es denn?« fragte er leise.
    »Ein Hund«, antwortete Elaine schwer atmend, »ein armes
kleines Hündchen, das man im Sand verscharrt hat.«
Brad zog erstaunt die Brauen hoch. »Verscharrt? Was meinst
du damit?«
Elaine sprang auf und funkelte verärgert den Gatten an.
»Verscharrt! Ich meine, man hat es getötet und verscharrt! Sie
haben ihm den Hals gebrochen und… Brad, laß uns von hier
weggehen, ich hasse diesen Ort, ich will nach Hause.«
Brad griff nach ihrer Hand und zog sie wieder neben sich
aufs Bett. »Aber beruhige dich doch«, sagte er,

Weitere Kostenlose Bücher