Am Strand des Todes
zu seiner Schwester. »Das
wird ein Spaß«, meinte er, »ein richtiges Abenteuer.«
»Ich mag keine Abenteuer.«
»Angsthase!«
»Bin ich nicht!«
»Dann komm mit raus!« Robby streifte seine Kleider über.
Nachdem sie ihm einige Minuten unschlüssig zugesehen hatte,
begann sich auch Missy anzuziehen.
»Was ist, wenn Mami und Papi uns hören?« fragte sie, als
Robby das Fenster öffnete.
»Werden sie nicht«, erwiderte Robby mit der ganzen
Überzeugungskraft seiner neuneinhalb Jahre und stieg auf den
Sims. Einen Augenblick später standen die beiden Kinder dicht
an die Hüttenwand gedrückt, um sich gegen Wind und Regen
zu schützen. »Snooker!« rief Robby leise. »Komm hierher,
Snooker.«
Jeden Augenblick mußte der Spaniel aus der Dunkelheit
auftauchen und schwanzwedelnd an ihnen hinauf springen.
Aber nichts geschah.
Die beiden Kinder schauten sich an, unsicher, was sie tun
sollten. Robby fällte schließlich eine Entscheidung.
»Besser, wir suchen ihn.«
»Es ist viel zu dunkel«, wandte Missy ein.
»Nein, ist es nicht. Komm schon!« Robby ging durch das
Gehölz Richtung Strand. Zögernd folgte ihm Missy.
Als sie unter den Bäumen hervortraten, schlugen ihnen Wind
und Regen hart ins Gesicht. Robby fühlte sich seltsam
beschwingt. Immer schneller hastete er auf die brüllende
Brandung zu, dauernd den kleinen Hund rufend. Mit ihren
kleinen Füßen mühsam über den nassen Sand stapfend,
versuchte Missy dem Bruder zu folgen. Sie konnte ihn kaum
noch sehen, aber immer wieder hörte sie seine Stimme.
»Snooker! Snooooooooooker!«
Plötzlich blieb Robby stehen, und Missy holte ihn ein. »Hast
du ihn gefunden?«
»Schsch!«
Missy starrte eingeschüchtert den Bruder an. »Was ist denn
los?« flüsterte sie.
»Hör doch!«
Sie lauschte angestrengt in die Dunkelheit, aber zunächst
hörte sie nichts als den Wind und das Rauschen der Brandung.
Dann ein Geräusch wie knackende Äste.
Eine dunkle Gestalt, die in der Schwärze der Nacht nicht zu
erkennen war, trat aus dem Gehölz heraus und kam über den
Strand direkt auf sie zu.
»Papi?« fragte Missy mit ihrem dünnen Stimmchen, erstarrte
aber erschrocken, als sie erkannte, daß sie sich getäuscht hatte.
Sie griff nach Robbys Hand und drückte sie ängstlich. »Was
sollen wir tun?«
»Ich weiß nicht«, flüsterte Robby, der ebenfalls Angst hatte,
aber fest entschlossen war, seine Schwester nichts merken zu
lassen. »Wer ist da?« fragte er mit seiner tapfersten Stimme.
Die dunkle Gestalt blieb stehen. Dann hörte man eine alte,
schon etwas zittrige Stimme über den Sand dringen.
»Und wer bist du, was machst du hier draußen bei diesem
Wetter?«
»Robby Palmer«, sagte Robby fast automatisch.
»Steh da nicht so rum, komm hier rüber, wo ich dich sehen
kann.«
Robby zog Missy hinter sich her auf den alten Mann zu.
Seine Angst schien plötzlich verschwunden. »Wer sind Sie?«
»Mac Riley.« Jetzt konnten sie die ledernen Gesichtszüge
des Mannes erkennen. »Was treibt ihr denn hier draußen?«
»Wir suchen unseren Hund«, antwortete Robby. »Wir
dachten, er schläft unter dem Haus, aber da war er nicht.«
»Wenn er auch nur ein bißchen Grips hat, dann ist er auch
nicht hier am Strand«, meinte Riley. »Das hier ist wirklich kein
empfehlenswerter Ort, besonders nicht in einer Nacht wie
dieser.«
»Warum sind Sie dann hier?« wollte Missy wissen.
»Um ein Auge auf die Dinge zu haben«, antwortete der alte
Mann geheimnisvoll. Plötzlich hörte der Regen auf, und Riley
blickte zum Himmel hinauf. »Verdammt will ich sein«,
murmelte er dann vor sich hin, »wenn sie heute nacht keine
Überstunden machen.«
»Wer?«
Riley strich dem Jungen durch das nasse Haar.
»Die Geister. Dieser Strand ist voll von ihnen.«
Die beiden Kinder drückten sich aneinander und warfen
ängstliche Blicke um sich. »Es gibt keine Geister«, wandte
Missy dann schüchtern ein.
»Die Seelen der Verstorbenen, wenn du so willst«,
korrigierte sich Riley, »und sag ja nicht, daß es so was nicht
gibt, nur weil du noch keine gesehen hast.«
»Haben Sie sie denn gesehen?« fragte Robby.
»Schon viele Male«, sagte Riley, »und immer in Nächten
wie dieser, wenn die Flut hoch geht und der Sturm tobt. Dann
erscheinen sie hier an diesem Strand und tun, was sie tun
müssen.«
»Was tun sie denn?« wollte Robby wissen.
Der alte Mann musterte die beiden Kinder vor sich, dann hob
er den Blick und starrte hinaus auf die wütende See.
»Sie töten«, sagte er leise, »sie töten den nichts ahnenden
unschuldigen
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