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Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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daß ihr Mann zu
diesem Zeitpunkt Miriam Shelling noch am Strand gesehen
und sogar mit ihr gesprochen hatte.
    »Wird es gehen?« fragte Chip, nachdem er sie in die Hütte
geführt hatte.
»Ich komme schon zurecht«, meinte Rebecca leise, »es wird
schon gehen – machen Sie sich keine Sorgen. Gehen Sie ruhig
zurück an Ihre Arbeit. Ich komme allein zurecht.«
Chip musterte sie besorgt. Hatte ihr das Gesehene einen
Schock versetzt? Doch er war kein Arzt, um das beurteilen zu
können – und auf der Lichtung wurde er gebraucht. Später
konnte er dann Dr. Phelps herüberschicken. Beruhigend
tätschelte er zum Abschied ihre Hand.
Rebecca blickte ihm nach, als er die Hütte verließ; ein
Schluchzen würgte ihre Kehle. Kaum war er verschwunden,
wünschte sie, ihm die Wahrheit gesagt zu haben. Sie hatte gar
nicht das Gefühl allein zurechtzukommen. Es fröstelte sie und
sie holte sich einen Pullover, obwohl der Tag draußen warm
und sonnig war. Dann legte sie einige Scheite auf das
herabgebrannte Feuer und setzte sich davor.
Glen hatte gesagt, Miriam würde da draußen auf etwas
warten. Sie saß auf einem Stück Treibholz und starrte auf die
See hinaus. Plötzlich war es wie eine Vision – Rebecca sah
Miriam Shelling am Strand, wo sie still und gefaßt auf den Tod
wartete, der sie zu ihrem Gatten bringen würde. Aber warum
ausgerechnet an dieser Stelle, fragte sich Rebecca, warum
gerade am Strand?
    Auf der Lichtung fragte sich Harney Whalen genau dasselbe.
Auch er erinnerte sich an den gestrigen Tag, als Miriam
Shelling zu ihm ins Büro gekommen war und ihn aufgefordert
hatte, etwas zu unternehmen. Sie war außer sich gewesen –
wenn es nicht noch mehr war. Er versuchte sich an jedes Detail
zu erinnern. Hatte sie irgend etwas gesagt, das eine so
drastische Reaktion hätte vermuten lassen? Eigentlich nicht.
Sie hatte ihn nur eindringlich aufgefordert, den Mörder ihres
Gatten zu finden. Doch dann schoß ihm plötzlich ein Gedanke
durch den Kopf. Er ging rasch unter den Bäumen hindurch
Richtung Strand. Dort ließ er den Blick über die schimmernde
Sandfläche schweifen; ein abschätzender Blick nach Norden
und dann nach Süden machte ihn sicher – Miriam hatte genau
die Stelle am Strand gewählt, vor der Pete sich in seinen
Netzen verfangen hatte. Vielleicht hatte das etwas zu bedeuten,
vielleicht war es aber auch nur ein Zufall. Er war sich noch
immer nicht sicher, als er zur Lichtung zurückkam, wo ihn Dr.
Phelps erwartete.
    »Warum hat man sie noch nicht abgenommen?« fragte der
alte Arzt und warf Whalen über den Rand seiner Gläser einen
vorwurfsvollen Blick zu.
    »Ich wollte auf Sie warten«, erwiderte Whalen und
versuchte, sich nicht einschüchtern zu lassen. Aber der
Sechsundachtzigjährige hatte den Polizeichef schon als Kind
behandelt und schien völlig vergessen zu haben, daß das
sechzig Jahre her war.
    »Sieht doch wohl jeder, daß sie tot ist – oder?« meinte
Phelps verärgert. »Oder soll ich vielleicht da raufsteigen, um
sie runterzuholen?«
    Whalen wollte sich gerade an die unangenehme Aufgabe
machen, als Chip Connor wieder erschien. »Chip? Glaubst du,
du kriegst sie da runter?« Chip zwang sich, genau hinzusehen.
Beim Anblick von Miriams Augen drohte sein Magen zu
rebellieren. Aufmerksam musterte er die Äste.
    »Kein Problem«, sagte er dann selbstbewußt, obwohl er sich
darüber keineswegs so sicher war. Die Äste bildeten eine Art
Leiter, und er war rasch in Höhe von Miriams Kopf. Jetzt sah
er in der Astgabel darüber das sauber aufgerollte andere Ende
des Seils, an dem Miriam hing. Es war lediglich mit einem
doppelten Schlippstek am Ast befestigt. Er griff nach der
Seilrolle und warf sie hinab. Dann kletterte er hinterher.
    »Können Sie mir helfen, Harn?« bat er. Er zog an dem
herabbaumelnden Seilende und spürte, wie sich der
Doppelknoten löste. Mit Hilfe seines Chefs ließ er den
Leichnam vorsichtig ins Gras herab.
    Der alte Arzt untersuchte ihn sorgfältig, nachdem er
behutsam das Seil um Miriams Nacken gelöst hatte. Dauernd
rutschte ihm dabei die Brille von der Nase. Dann stand er
endlich wieder auf und schüttelte traurig den Kopf. »Warum
tun sie das nur?« stammelte er fast unhörbar.
    »Selbstmord.« Harney Whalen fragte nicht, sondern stellte
einfach fest.
»Sieht ganz so aus«, stimmte Phelps zu, »aber trotzdem eine
verdammt seltsame Sache…«
»Seltsam? Was soll das heißen?«
»Ich weiß nicht so recht«, meinte der Arzt, »aber ich glaube,
ich hab’ das schon mal erlebt.

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