Am Strand des Todes
lediglich, wie es hier ist. Sie
können dann selbst entscheiden, ob Sie bleiben wollen oder
nicht. Auf keinen Fall möchte ich, daß Sie in sechs Monaten zu
mir kommen und sich beklagen. Ich versuche einfach fair zu
sein, und ich bin der Meinung, daß Sie wissen sollten, worauf
Sie sich einlassen.«
»Sie haben also ein Haus zu vermieten?« wollte Brad
wissen.
»Wenn man das überhaupt ein Haus nennen kann«,
erwiderte Whalen achselzuckend.
»Erzählen Sie uns etwas darüber.«
»Es steht draußen an der Sod Beach. Ist schon seit einiger
Zeit leer.« Er lächelte Elaine etwas gezwungen an. »Haben Sie
schon mal auf einem Holzherd gekocht?«
Hatte sie nicht, doch das wollte sie auf keinen Fall zugeben.
»Das schaff ich schon«, sagte sie ausweichend und hoffte, daß
Brad nicht herauslachen würde. Er tat es nicht.
»Wäre empfehlenswert«, meinte Whalen fast tonlos, »Gas
und Strom gibt es auch nicht.«
»Fließendes Wasser?« mischte sich Brad ein.
»Ja, das schon, aber natürlich kalt. Heißes Wasser müßten
Sie auf dem Herd machen. Beheizt wird das Ganze durch einen
großen Kamin im Wohnzimmer und einen kleineren im
Schlafzimmer. Oben gibt es keine Heizmöglichkeiten, doch
über die Treppe wird das ganze Haus warm.«
»Das klingt ja nicht gerade einladend«, meinte Elaine. Sie
sah das alte Haus am Strand vor sich und war ziemlich sicher,
daß der Polizeichef genau das meinte. »Wie lange hat dort
niemand mehr gewohnt?«
»Fast ein Jahr«, erwiderte Whalen. »Übrigens – die meisten
ihrer Sachen dürften noch da sein.«
»Ihre Sachen?« staunte Brad. »Was soll das heißen?«
»Sie haben sich davongemacht«, erklärte Whalen. »Sie
waren mit der Miete im Rückstand, und als ich eines Tages
raus bin, um ihnen zu sagen, sie sollten bezahlen oder sich
nach etwas anderem umschauen, waren sie verschwunden. Sie
hatten ihre Kleider und ihren Wagen mitgenommen, das übrige
aber dagelassen. Es sind also noch Möbel da, die Sie
wahrscheinlich brauchen könnten, falls Sie wirklich mieten
wollen, was ich aber stark bezweifle.«
»Wirklich?« meinte Elaine und versuchte, es nicht zu
sarkastisch klingen zu lassen. »Warum denn, spukt es dort
etwa?«
»Es gibt Leute, die das behaupten. Muß am Strand liegen,
glaube ich.«
»Was ist mit dem Strand?«
»Der hieß nicht immer Sod Beach. Das kam eher durch
einen Zufall. Die Leute sprachen immer vom ›Strand des
Todes‹. Das wurde auf den Karten mit SOD abgekürzt und so
ist der Name dann entstanden.«
»Der Strand des Todes«, wiederholte Brad leise, »ich wette,
dazu gibt es eine Geschichte.«
Whalen nickte. »Das war der alte Klickashaw-Name für den
Strand. Weiß nicht mehr, wie das Indianerwort dafür hieß.
Spielt aber keine Rolle. Wichtig ist nur, weshalb sie vom
Strand des Todes sprachen. Die Klickashaws hatten eine
seltsame Sitte – genau das Richtige, um Kinder das Fürchten
zu lehren. Offensichtlich hatten sie einen Kult, dessen
Mitglieder sich ›Sturmtänzer‹ nannten
– sie benutzten den
Strand für Exekutionen.«
»Exekutionen?« wiederholte Elaine erschrocken; sie war
sich nicht sicher, ob sie die Geschichte wirklich hören wollte.
»Es heißt, die Klickashaws hätten Fremde genausowenig
gemocht wie wir. Aber sie sprangen mit ihnen etwas anders um
als wir. Wir tolerieren sie zumindest, auch wenn wir sie nicht
gerade begeistert willkommen heißen. Die Indianer waren da
anders.«
»Sie meinen, sie haben sie zum Strand rausgebracht und
getötet?« fragte Brad.
»Nicht ganz. Sie brachten sie zum Strand raus und ließen sie
vom Meer töten.«
»Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstehe«, meinte Elaine
hilflos.
»Sie gruben sie im Sand ein«, erklärte Harney Whalen. Seine
Stimme klang, als ob sie die Geschichte schon tausendmal
erzählt hätte. »Sie warteten auf die Ebbe und hoben dann
Gruben für ihre Opfer aus. Man stellte sie hinein und füllte
Sand nach, bis nur noch ihre Köpfe herausragten. Und dann
warteten sie, bis die Flut kam.«
»Mein Gott«, seufzte Elaine auf, Sie sah das Ganze vor sich
– die bemitleidenswerten Opfer, die auf ihren Tod warteten; sie
sahen, wie die Flut langsam stieg, wie die Wasserzungen
immer näher kamen und schließlich ihre Gesichter umspülten;
sie meinte, sie nach Luft ringen zu hören, während sie in
immer kürzeren Abständen von der salzigen Flut überspült
wurden; es gab kein Entrinnen… Sie schauderte und versuchte,
das schreckliche Bild zu verdrängen. »Wie furchtbar«,
stammelte sie. Brad schien seine Frau
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