Am Strand von Acapulco
Vater von Anfang an gut miteinander aus. In gewisser Hinsicht ähnelten sie einander sogar. Sie stammten beide aus den gleichen sozialen Verhältnissen, waren unvoreingenommen und hatten es ohne fremde Hilfe auf ihrem Gebiet zu etwas gebracht. Schon ziemlich bald einigten sie sich darauf, sich beim Vornamen zu nennen, zumal sie auch altersmäßig nur wenige Jahre trennten.
Aber sobald die beiden begannen, sich über Lebensmittelche mie zu unterhalten, fühlte sich Ruth wie das fünfte Rad am Wagen. Das Thema langweilte sie, und so beschränkte sie sich darauf, dafür zu sorgen, dass immer genug zu trinken da war und die Gläser und Schalen mit Knabberzeug nachgefüllt wurden.
Erst gegen Ende des Abends schienen sich die beiden an sie zu erinnern. Als sich Patrick entschuldigte, sie vernachlässigt zu haben, rief ihr Vater: „Ach Unsinn! Das war doch mal ein richtig netter Abend. Wir müssen das unbedingt wiederholen, wenn wir von den Staaten zurück sind."
„Sie verreisen?" fragte Patrick verwundert.
„Ja, nächsten Dienstag, das heißt, ob Ruth mich begleitet, ist noch nicht raus. Aber dann wären wir bestimmt drei, vier Wochen unterwegs."
„Bis Sie wieder zurück sind, bin ic h wohl schon nicht mehr hier", erklärte Patrick stirnrunzelnd.
„Schade, na ja, dann kommen Sie eben bei Ihrem nächsten Be such wieder bei uns vorbei."
„Das ist ja erst in einem Jahr!" rief Ruth betrübt.
Ihr Vater fragte: „Warum fliegen Sie denn nicht öfter nach England, Patrick?
Heutzutage ist das doch kein Problem mehr."
„Ich bin einfach gern in Venezuela." Patrick warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
Es war schon kurz vor halb zwölf. „Ich glaube, ich gehe dann mal, und vielen Dank für den schönen Abend."
„Gern geschehen." Ruths Vater stand auf, um sich von Patrick zu verabschieden, bevor er seine Tochter bat: „Bringst du unseren Gast noch zur Tür?"
„Natürlich, Dad."
„Es war wirklich ein sehr angenehmer Abend", sagte Patrick, als er sich im Windfang die Jacke zuknöpfte und den Kragen hochschlug.
„Freut mich für dich." Ruth zwang sich, beiläufig zu klingen.
„Dir hat es wohl nicht so gut gefallen, wie?"
„Interessiert dich das wirklich?" antwortete sie mit einer Gegenfrage, wofür sie sich hätte ohrfeigen können. Aber ihre Gefühle begannen schon wieder, verrückt zu spielen.
„Ja, das interessiert mich wirklich. Wirst du deinen Vater in die Staaten begleiten?"
„Mal sehen."
Patrick sah ihr tief in die Augen. „Ich wünschte, du würdest hierbleiben."
„Ist das dein Ernst?"
Er nickte. „Aber morgen fahre ich zu Verwandten nach Nordengland und bin vor Montagabend nicht zurück. Wenn du also Dienstag fliegst, sehen wir uns nicht mehr."
Ruth schluckte. „Das würde mir aber nicht gefallen."
Doch anstatt auf diese Äußerung einzugehen, zog sich Patrick plötzlich wieder zurück, und sein Gesichtsausdruck wurde nichtssagend. Wortlos öffnete er daraufhin die Tür und verließ das Haus. Erst als er in seinen Wagen stieg, rief er Ruth noch zu: „Gute Nacht!"
4. KAPITEL
Am Dienstagmorgen fuhr Ruth ihren Vater und dessen Sekretärin zum Flughafen.
Nachdem sie sich von den beiden verabschiedet hatte und allein durchs Terminal zurückging, bekam sie ein ganz mulmiges Gefühl.
Warum hatte sie eigentlich unbedingt in England bleiben wollen? Welche andere Frau hätte wohl auf einen dreiwöchigen USA-Aufenthalt mit Shopping-Möglichkeit in New York verzichtet, nur weil ein Mann, der von Anfang an betont hatte, keinerlei gefühlsmäßige Bindung eingehen zu wollen, sie gebeten hatte, dazubleiben? Und so, wie sich Patrick am Donnerstagabend von ihr verabschiedet hatte, wusste sie nicht einmal, ob er je wieder Kontakt zu ihr aufnehmen würde. Er hatte sich auch am Montag nicht noch einmal bei ihr gemeldet und ging bestimmt davon aus, dass sie mit in die USA geflogen sei.
Da kam Ruth ein Gedanke. Wo befand sich noch gleich sein Apartment? In der Marylebone Road, direkt gegenüber von Queen Mary's Gardens am Regent's Park. Und die Hausnummer? Er hatte sie nur einmal erwähnt, aber Ruth hatte ein hervorragendes Zahlengedächtnis: 123. Wann wäre wohl die beste Chance, ihn dort anzutreffen?
Wahrscheinlich zwischen sechs und acht Uhr abends. Früher würde er wohl kaum ausgehen, und wenn er nachmittags unterwegs gewesen war, kam er bestimmt noch einmal nach Hause, um sich für den Abend frisch zu machen.
Bei der Aussicht, Patrick vielleicht bald wieder zu sehen, ging es Ruth gleich viel
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