Am Strand von Malibu
Olivia hatte nicht darauf reagiert.
Sie hatte es sich angewöhnt, die morgendlichen Besprechungen erst abends auszuarbeiten. So hatte sie sich trotz ihres großen Arbeitspensums die Nachmittage weitgehend freihalten können. Die gewonnene Zeit hatte sie genutzt, um an organisierten Busfahrten teilzunehmen. Sie hatte die Studios besichtigt, sich Disneyland angesehen und eine Tour entlang der Küste unternommen.
Auch im Hotel fühlte sie sich mittlerweile wie zu Hause. Sie hatte sich an das ständige Kommen und Gehen gewöhnt und bildete sich nicht mehr ein, als allein stehende Frau ständig beobachtet zu werden. Außerdem befürchtete sie nicht mehr, dem Hotelbesitzer zu begegnen. Das alles gab ihr mehr Selbstsicherheit, so dass sie sich jetzt oft einen Tisch in einem der Restaurants reservieren ließ, um die Menschen dort zu beobachten.
Das Hotel war ein beliebter Treffpunkt reicher und berühmter Leute. Besonders das Feinschmeckerlokal wirkte als Magnet. Olivia war Diane mittlerweile aufrichtig dankbar dafür, dass sie es ihr ermöglicht hatte, sich von dem Leben in Hollywood ein so lebendiges Bild zu machen. Manchmal aß Olivia auch im Bistro, das auf italienische Küche spezialisiert war. Echte italienische Küche, wie sie feststellte, keine aufgetauten Fertiggerichte und Salate mit Einheitssauce, wie sie es von zu Hause her gewohnt war.
Sie saß gerade im Bistro und ließ sich eine dick belegte Pizza schmecken, froh, dass sie sich um ihre schlanke Linie keine Gedanken zu machen brauchte. Die überschlanke Frau vom Nebentisch, die lustlos in ihrem Salat stocherte, warf ihr neidische Blicke zu. Olivia stellte es sich schrecklich vor, dauernd die Kalorien zählen zu müssen. Ob Diane auch Probleme mit ihrer Figur hatte?
Olivia sah auf, und der Bissen blieb ihr fast im Hals stecken.
Das konnte doch nur eine Täuschung sein! Saß dort drüben, halb verdeckt von einer Grünpflanze, wirklich Joe Castellano? Er war allein, jedenfalls im Moment. Er war in einen dicken Stapel Papiere vertieft, der neben seinem Teller lag, und schob sich gedankenverloren sein Essen in den Mund.
Joe hatte sie nicht gesehen - oder wollte sie nicht sehen. Das konnte sie ihm nicht verübeln. Schließlich hatte sie sich das letzte Mal ihm gegenüber unmöglich benommen: unhöflich, fast unverschämt, was normalerweise gar nicht ihre Art war.
Aber wie hätte sie auf einen Mann wie ihn sonst reagieren sollen? Er spielte doch nur mit ihr. Sie hätte sich blamiert, wenn sie ihn ernst genommen hätte. Aber vielleicht hatte er einfach nur freundlich zu ihr sein wollen. Und sie hatte überzogen reagiert, weil sie von seiner Beziehung zu Diane wusste.
Aber wieso sollte sie eigentlich Dianes Gefühle schonen? Nach dem, was diese ihr angetan hatte, war das einfach lachhaft. Nachdenklich blickte sie auf ihren Teller. Wie würde Diane sich wohl verhalten, wenn sie erfuhr, dass Joe sich mit anderen Frauen verabredete? Seine Kontakte zu Anna Fellini schienen ihr nichts auszumachen. Aber die beiden waren ja auch nur Geschäftspartner.
Sie atmete einmal tief durch. Sollte Diane doch zusehen, wie sie mit ihren Problemen fertig wurde! Und Joe geschah es nur recht, wenn sie ihm die Hölle heiß machte. Als Mann, der eine Affäre mit einer verheirateten Frau hatte^ verdiente er nichts Besseres.
Sie hob wieder den Blick. Joe saß immer noch da, blätterte in seinen Papieren und trank ab und zu Wein. Sollte sie es wagen? Nein, mit Diane als Konkurrentin hatte sie nicht die geringste Chance.
Er schien wirklich allein zu sein. Olivia verrenkte sich fast den Hals. Der Tisch war nur für eine Person gedeckt. Die Frau, die ihr am nächsten saß, drehte sich schon nach ihr um, und Olivia musste lächeln. Sie benahm sich wie ein verliebtes Schulmädchen. Warum sprach sie Joe nicht einfach an? Was konnte schon passieren?
Olivia biss sich auf die Lippe. Sie musste realistisch bleiben. Richard hatte sie wegen Diane verlassen, und auch Joe war von ihr fasziniert. Wie konnte sie, Olivia, da seine Aufmerksamkeit erregen. Was hatte sie schon im Vergleich mit Diane zu bieten?
Aber ... Sie seufzte. Wenn sie es wissen wollte, musste sie etwas unternehmen. Aber wollte sie das wirklich? Sie runzelte die Stirn. Es konnte amüsant, es konnte aber auch gefährlich werden. Und zwar nicht nur für ihren Seelenfrieden, sondern auch für ihre Karriere.
Aber es musste ja nichts Ernsthaftes sein. Sie konnte es für Richard tun, um seine Ehe zu retten. Und sie konnte sich an Diane
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