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Am Strand

Am Strand

Titel: Am Strand
Autoren: Ian McEwan
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Um Himmels willen, Mann! Jetzt mach schon! Noch auf der Rückfahrt war er angespannt, doch gab er Edward so das Gefühl, mit dem knapp einen Dutzend Punkte, die er in den drei Sätzen gewonnen hatte, wenigstens einen kleinen Triumph errungen zu haben. Hätte Edward den Vater seiner Freundin regelrecht besiegt, hätte er dessen Tochter wohl nie wiedersehen dürfen.
    Trotz seines nervösen, aufbrausenden Charakters zeigte sich Geoffrey Ponting dem Gast gegenüber außerordentlich zuvorkommend. Wenn er um sieben Uhr von der Arbeit kam und Edward im Haus war, mixte er ihnen an seiner kleinen Hausbar einen Gin Tonic - zu gleichen Teilen Tonic und Gin, dazu jede Menge Eiswürfel. Eis in einem Drink war für Edward etwas Neues. Dann setzten sie sich in den Garten und redeten über Politik -meist lauschte Edward nur den Ansichten seines künftigen Schwiegervaters über den Verfall der britischen Wirtschaft, das Kompetenzgerangel der Gewerkschaften und den Irrsinn, afrikanische Kolonien in die Freiheit zu entlassen. Selbst wenn Pon-ting saß, kam er nicht zur Ruhe - er kippelte auf der Sesselkante, bereit, jederzeit wieder aufzuspringen, wippte beim Reden mit den Knien oder bewegte die Zehen in den Sandalen zu einem Rhythmus, der offenbar in seinem Kopf widerhallte. Er war deutlich kleiner als Edward, dafür aber kräftiger gebaut, die muskulösen Arme überzog ein blonder Pelz, den er gern zur Schau stellte, indem er sogar zur Arbeit kurzärmelige Hemden trug. Selbst seine Kahlköpfigkeit schien eher Beweis seiner Potenz als verräterisches Anzeichen seines Alters zu sein - glatt und straff wie ein geblähtes Segel spannte sich die gebräunte Haut über den großen Schädel. Auch das Gesicht war groß, dafür aber hatte er kleine, wulstige Lippen, deren Ruhestellung ein trotziges Schmollen zu sein schien, eine Knopfnase und weit auseinanderstehende Augen, weshalb er in bestimmtem Lichteinfall wie ein Riesenfötus aussah.
    Florence schien sich ihrem Gartenplausch nie anschließen zu wollen, vielleicht mochte Ponting sie auch nicht dabeihaben. Soweit Edward wußte, redeten Vater und Tochter nur selten miteinander, und wenn, dann höchstens in Gesellschaft und immer bloß über Belanglosigkeiten. Allerdings hatte er den Eindruck, als belauerten sie einander, und ihm war, als würden sie, wenn andere redeten, ins-geheim Blicke austauschen. Ponting legte Ruth ständig den Arm um die Schultern, ihre ältere Schwester aber hatte er in Edwards Beisein noch nie liebevoll berührt. Vielmehr ließ er im Gespräch erfreulich zahlreiche Bemerkungen wie »du und Florence« oder »ihr jungen Leute« fallen. Und die Nachricht von ihrer Verlobung versetzte ihn in weit größeren Aufruhr als etwa Violet, weshalb er höchstpersönlich das Essen im Randolph - Hotel bestellte, bei dem er mindestens ein halbes Dutzend Trinksprüche auf das Paar ausbrachte. Flüchtig, doch ohne ihm Gewicht beizumessen, kam Edward der Gedanke, daß Ponting es fast ein wenig zu eilig damit hatte, seine Tochter fortzugeben. Etwa zu derselben Zeit wies Florence ihren Vater auch darauf hin, daß Edward durchaus ein Gewinn für die Firma sein könnte.
    An einem Samstag morgen fuhr Ponting ihn im Humber zu seiner am Stadtrand von Witney gelegenen Fabrik, wo irgendwelche wissenschaftlichen, mit Transistoren gespickte Geräte entworfen und hergestellt wurden. Ein heimeliger Geruch nach Lötblei begleitete sie, während sie durch ein Gewirr von Werkbänken gingen, und Ponting schien es überhaupt nichts auszumachen, daß Edward, den bei Technik und Naturwissenschaften stets ein lähmendes Gefühl überkam, keine einzige interes-sierte Frage stellte. Sein künftiger Schwiegersohn lebte erst wieder auf, als sie sich in einem fensterlosen Hinterzimmer mit dem kahlköpfigen, neunundzwanzig Jahre alten Verkaufsleiter trafen, der in Durham seinen Abschluß in Geschichte gemacht und eine Doktorarbeit über mittelalterliches Klosterleben in Nordostengland geschrieben hatte. Später bot Ponting ihm dann bei einem Gin Tonic an, für seine Firma auf Reisen zu gehen und einen neuen Kundenstamm aufzubauen. Er würde sich über die Produkte informieren, ein klein wenig über Elektronik lernen und ein winziges bißchen über Vertragsrecht wissen müssen. Edward, der noch keine festen Berufspläne hatte und sich gut vorstellen konnte, zwischen Geschäft streffen in Zügen und Hotelzimmern Geschichtsbücher zu schreiben, sagte zu, wenn auch eher aus Freundlichkeit als aus tatsächlichem
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