Am Tor Zur Hoelle
ich Wirkung zeitige, dass meine Handlungen Wirkung zeitigen, Wirkung auf das gesamte Universum. Das kann geschehen, weil das Gesetz von Ursache und Wirkung Gültigkeit besitzt und weil ich nicht vom Universum, nicht vom anderen, nicht von irgendetwas getrennt bin. Während ich in Plum Village lebte und lernte, beschäftigte mich eine Frage stets aufs Neue. Es war eine Frage bezüglich Ursache und Wirkung, der Umkehrung eines negativen kausalen Zusammenhangs in einen positiven. Es war die Frage der Wiedergutmachung. Die Antwort, die ich von Schwester Chan Khong erhalten hatte, war simpel gewesen: »Wenn du eine Brücke in die Luft jagst, bau ein Brücke; wenn du ein Haus in die Luft jagst, bau ein Haus.« Die Antwort bedeutete, dass Karma (Ursache und Wirkung) »repariert« werden kann. Doch die unterschwellige Frage war damit für mich nicht beantwortet worden. Was konnte ich im Hinblick auf all die Leben, die ich genommen hatte, tun? Ich kann Leben nicht zurückgeben. Durch meine Praxis entdecke ich allerdings, dass ich, indem ich erwache, indem ich das Leiden nicht fördere, sondern bewusst und anders lebe, in gewisser Weise neues Leben erschaffen kann, auch wenn ich das intellektuell nicht immer nachvollziehen kann. Das Universum folgt keiner simplen positiven oder negativen Arithmetik: ein Auge für ein Auge, ein Zahn für einen Zahn, eine Brücke für eine Brücke, ein Haus für ein Haus. Indem wir das Ausmaà an Schmerz und Leiden verringern, können wir Leben retten und sogar neues Leben erschaffen.
Ich muss die Dinge anders tun. Aber ich kann mich nicht in eine neue Lebensweise hineindenken â ich muss mich in eine neue Denkweise hineinleben.
Ich unternehme nicht den Versuch, im moralischen Sinne des Wortes »gut« zu sein. Ich versuche, ein Leben des Dienens zu führen und zu tun, was sich als positiv und nützlich enthüllt. Die Richtung, in die dieses Dienen geht, besteht darin, anderen Menschen zu helfen, denn ich wäre nicht hier, wenn andere Menschen mir nicht geholfen hätten. Es ist das Weitergeben dessen, was mir so groÃzügig gewährt wurde. Ich begann zu entdecken, dass die Wiedergutmachung für mich darin besteht, dazu beizutragen, dass die Gewalt in der Welt, die ich verursacht habe, verringert wird.
»Du bist mehr Mönch als ein Mönch«
Während eines meiner Aufenthalte in Plum Village, wo ich drei Jahre lang mit kleinen Unterbrechungen lebte und lernte, wurde mir die Ordination zum Mönch in jener Tradition angeboten. Ich lehnte ab, weil ich kein monastisches Leben führen wollte. Als ich wieder in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt war, wurde ich einem amerikanischen Soto-Zen-Meister vorgestellt: Bernard Tetsugen Glassman Roshi. Nach unserer ersten Begegnung rief ich ihn an und sagte, ich würde mich gern privat noch einmal mit ihm treffen, denn ich interessierte mich für das, was er tat.
Zwei oder drei Wochen später fuhr ich nach Yonkers, New York, wo Glassman Roshi lebte. Wir saÃen etwa fünfzehn Minuten zusammen und meditierten. Als wir damit fertig waren, eröffnete er das Gespräch mit dem Satz: »Ich möchte dich ordinieren.«
Obwohl ich daran interessiert war und in den tiefsten Schichten meines Seins diesen Schritt tun wollte, lautete meine erste Reaktion: »Warum wollen Sie mich ordinieren? Was wollen Sie von mir? Welches Motiv steckt dahinter? Sie kennen mich doch nicht einmal!« Nachdem ich meine Einwände erhoben hatte, erwiderte er: »Ich kenne dich genug.« Ganz ähnlich hatte Thich Nhat Hanh zu mir gesprochen, der auf meine Zweifel, die Mönchsrobe anzunehmen, erwidert hatte: »Du bist mehr Mönch als ein Mönch. Ich kenne dich genug.« Und so sagte ich schlieÃlich: »Ja, ich bin daran interessiert. Was kommt als Nächstes?«
Zu jener Zeit hatte ich die Absicht, an einer Pilgerreise durch Osteuropa und Asien teilzunehmen. Die Pilgerreise sollte in Auschwitz beginnen, und deshalb kam Glassman Roshi nach Auschwitz. Meine Laienordination fand an dem Platz statt, wo sich einst eines der Krematorien befunden hatte. Es war Anfang Dezember 1994. Und dann begann ich von dort aus den Marsch nach Hiroshima. Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, dass Glassman Roshi nach Vietnam kommen sollte, um mich dort als Mönch zu ordinieren. Doch die Umstände lieÃen es nicht zu, da sein Lehrer, Taizan Maezumi Roshi, im April des folgenden
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