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Am Tor Zur Hoelle

Am Tor Zur Hoelle

Titel: Am Tor Zur Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anshin Thomas
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sprechen, wenn es uns nicht gelingt, eine Sprache für unsere Gefühle zu schaffen, dann kann Heilung nicht stattfinden. Wir fahren einfach fort, zu »recyclen«, die Umstände wiederzuerzeugen, die uns im endlosen Kreislauf des Leidens gefangen halten. Wir tun das, weil es uns vertraut ist. Als gesellschaftlich konditionierte Wesen wissen wir, wie wir uns in einer Welt der Ausbeutung, der Manipulation und der Unehrlichkeit einrichten können. Die Dinge anders zu machen, die gegebenen Regeln zu überschreiten, unbekanntes Terrain zu betreten, stellt für die meisten von uns eine große Herausforderung dar. Und dennoch höre ich allenthalben: »Ich möchte, dass die Dinge anders sind. Ich möchte, dass mein Leben anders wird.« Wie könnte die Antwort anders lauten als: »Wenn Sie wollen, dass die Dinge anders werden, dann müssen Sie die Dinge anders tun!«
    Und eine Sache, die wir anders machen müssen, ist folgende: Wir dürfen das Schweigen und die Verleugnung, die zu dem endlosen Kreislauf des Krieges führen, nicht länger hinnehmen.
    Ich erzähle die Geschichte von Hunderten
von Generationen von Menschen
    Eines Tages sprach ich in Kalifornien mit einer Gruppe von Vietnam-Veteranen. Sie sagten: »Wir brauchen dich, um zu reden. Du gibst uns eine Stimme, hilfst uns herauszufinden, was wir tun müssen.«
    Wenn ich spreche, dann erzähle ich, selbst wenn ich überwiegend meine eigene Geschichte erzähle, auch die Geschichte anderer, die kollektive Geschichte. Ich erzähle die Geschichte von Hunderten von Generationen von Menschen. Ich erzähle die Geschichte von Tausenden, von Hunderttausenden, von Millionen von Menschen. Die Geschichte, die ich erzähle, ist meine, aber sie ist nicht nur meine. Beim Erzählen kommt es nicht so sehr auf die Details der Geschichte an als vielmehr auf das Erzählen der Geschichte, die Essenz der Geschichte, mit der die Menschen Verbindung herstellen.
    Ich zitiere aus Leslie Marmon Silkos Buch
Ceremony
: » ›Ich werde euch etwas über Geschichten erzählen‹, sagte er. ›Sie dienen nicht bloß der Unterhaltung. Lasst euch nicht täuschen. Sie sind alles, was wir haben, wisst ihr, alles, was wir haben, um Krankheit und Tod abzuwehren. Ihr habt nichts, wenn ihr die Geschichten nicht habt. Das Böse ist mächtig, aber es kann es mit euren Geschichten nicht aufnehmen. Also versuchen sie, die Geschichten zu zerstören; sie bringen sie durcheinander oder lassen sie in Vergessenheit geraten. Das würde ihnen gefallen, das würde sie froh machen, denn dann wären wir schutzlos.‹ Er strich sich über den Bauch. ›Ich bewahre sie hier‹, sagte er. ›Komm, leg deine Hand darauf. Siehst du, es bewegt sich. Darin ist Leben für das Volk. Und in dem Bauch hier (ist Leben) für das Volk. Und in dem Bauch dieser Geschichte wachsen die Rituale und die Zeremonien noch immer heran. Wie sie gesagt hat: Das einzige Heilmittel, das ich kenne, ist eine gute Zeremonie, das hat sie gesagt.‹ «
    Tim O’Brien schreibt in seinem Buch
The Things They Carried
: »Eine gute Kriegsgeschichte hat keine Moral. Sie enthält keine Lehre, sie ermutigt nicht zur Tugend, sie bietet keine Vorbilder für anständiges Verhalten, sie hält Menschen nicht von dem ab, was Menschen immer schon getan haben. Wenn eine Geschichte eine Moral zu enthalten scheint, glaub sie nicht. Wenn du dich am Ende einer Kriegsgeschichte erbaut fühlst oder wenn du das Gefühl hast, dass ein winziges Stück Rechtschaffenheit aus dem großen Müllhaufen gerettet worden ist, dann bist du das Opfer einer sehr alten und abscheulichen Lüge geworden. Es gibt keine Rechtschaffenheit. Es gibt keine Tugend. Als erste Faustregel gilt: Eine wahre Kriegsgeschichte erkennst du daran, dass sie absolut und kompromisslos auf der Seite des Verabscheuungswürdigen und Bösen steht. Du erkennst sie daran, dass sie dich in Verlegenheit bringt. Wenn dich das Verabscheuungswürdige gleichgültig lässt, ist dir die Wahrheit gleichgültig; wenn dir die Wahrheit gleichgültig ist, gib Acht, wen du wählst. Wenn du Jungs in den Krieg schickst, kommen sie mit dreckigen Reden zurück …«
    Und er fährt fort: »In jeder Kriegsgeschichte, besonders in einer wahren, lässt sich das, was geschieht, schwer von dem unterscheiden, was zu geschehen scheint. Was zu geschehen scheint, wird sein

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