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Am Tor Zur Hoelle

Am Tor Zur Hoelle

Titel: Am Tor Zur Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anshin Thomas
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»Das Vergangene ist vergangen. Es gibt einzig den gegenwärtigen Augenblick, und der ist schön.« Eines Tages flog eine Mirage der französischen Luftwaffe in sehr niedriger Höhe über die Weiler von Plum Village hinweg. Der Flieger erschien aus heiterem Himmel mit dem unverkennbaren, ohrenbetäubenden Dröhnen eines Kampfflugzeuges, unerwartet und urplötzlich, und ich warf mich von Panik erfüllt zu Boden. Als ich mich umschaute, um zu sehen, was für ein Blutbad er angerichtet hatte, das Nachspiel eines solch unerwarteten, brutalen Angriffs, begriff ich, dass ich aus meiner Kriegserfahrung heraus reagiert hatte. Ich erhob mich, zitternd und unter Tränen. Der Mönch, mit dem ich zusammenarbeitete, fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich begann mit ihm über meine Gefühle in dem Augenblick zu sprechen, und er begann mit seinem »Das Vergangene ist vergangen, es gibt einzig den gegenwärtigen Augenblick, und der ist schön«-Mantra. Ich wurde wütend auf diesen Mönch; ich war dermaßen wütend, dass ich ihm beinahe mit der Schaufel eins übergebraten hätte. Doch stattdessen schrie ich ihn an: »Das Vergangene ist nicht immer vergangen! Manchmal existiert es im gegenwärtigen Augenblick, und das ist nicht schön, und ich hasse es!« Hinterher sprach ich mit Schwester Chan Khong, und sie erklärte mir, dass es zwar stimme, dass das Vergangene vergangen sei und dass es einzig den gegenwärtigen Augenblick gebe, doch wenn man intensiv im gegenwärtigen Augenblick lebe, seien das Vergangene und das Zukünftige ebenfalls da. Man müsse nur lernen, mit dieser Erfahrung so zu leben wie Wasser, das zur Ruhe kommt. Ihre Worte und dieses Bild haben mir geholfen.
    Seit jenem ersten Besuch im Jahre 1991 bin ich oft nach Plum Village zurückgekehrt. 1992 bot Thich Nhat Hanh mir an, die Robe eines Mönches zu tragen. Da ich nicht die Absicht hatte, Mönch zu werden, und mich bei diesem Angebot unbehaglich fühlte, erwiderte ich: »Ich kann kein Mönchsgewand tragen; ich habe kein Interesse daran, buddhistischer Mönch zu werden.« Er sah mich an und lächelte; er legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: »Du bist mehr Mönch als ein Mönch.« Und an die Menschen gewandt, die dort saßen, verkündete er, ich sei ein Dao-Meister. Wir verstanden in dem Moment nicht, wie tiefgründig sein Satz gewesen war, sondern glaubten, dass er einen Witz gemacht hatte – also lachten wir.
    Wenngleich ich damals glaubte, dass dies meine erste Begegnung mit dem Buddhismus war, hatte ich doch indirekt schon mit dem Zen-Studium begonnen, als ich vierzehn Jahre alt war. Ich erlernte Karate, und zwar eine koreanische Variante namens Hap Ki Do. Da ich in einer Familie aufgewachsen war, die von Gewalt und Chaos beherrscht wurde, hatte ich das Gefühl, nirgends sicher zu sein, es sei denn, ich eignete mir Mittel an, die mich cleverer und stärker als andere machten. Sicherlich suchte ich auch Grenzen oder eine sichere Form, um emotional nicht so außer Kontrolle zu geraten.
    Im Alter von sechzehn Jahren wurde ich von meinem damaligen Lehrer eingeladen, neun Monate lang wie ein Mönch mit ihm zu leben, und wenngleich ich in Zen-Praxis eingeführt wurde, war es eine Praxis, die nicht auf den Lehren des Buddha gründete. Bei diesem Training, das verschiedene meditative Techniken einschloss, entwickelte ich tiefe Konzentration und kam in Kontakt mit der Macht, die Dharma ist; doch Dharma, das nicht von den Lehren des Buddha gestützt ist, ist gefährlich. Später studierte ich noch eine weitere Tradition, diesmal chinesischer Herkunft, und bis 1989 war ich nicht nur ein eifriger Schüler dieser alten Künste, sondern ich unterrichtete sie auch. Zu jener Zeit war ich seit siebenundzwanzig Jahren mit Karate befasst, als Schüler wie später auch als Lehrer. Ich hatte fünf Karateschulen und bis zu fünfhundert Schüler. Eines Tages begriff ich mitten im Unterricht, was ich da eigentlich tat: Ich wässerte die Saat der Gewalt. Ich lehrte, zu kämpfen und zu töten, und ich begriff, dass ich so nicht weitermachen konnte. Also hörte ich damit auf.
    Indem ich innehielt und zur Ruhe gelangte, konnte die den Kampfkünsten innewohnende Gewalt transformiert werden. Sichtbar wurde das für mich, als ich das Gewand des Kampfkünstlers schließlich durch die Robe des Mönches ersetzte. Ich erkannte

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