Am Tor Zur Hoelle
zusammenhängenden Ganzen sind, das wir Gesellschaft nennen â ein nicht sehr angenehmes Spiegelbild.
Ein jeder hat sein Vietnam
Alle Gewaltveteranen â ob sie kriegerische Gewalt, StraÃengewalt oder häusliche Gewalt ausgeübt haben â sind die Flamme am Ende der Kerze und können eine mächtige Heilkraft in der Welt darstellen. Der Weg zu dieser Heilung führt durch das Leiden â wir müssen unsere Natur tief ergründen, müssen frei über unsere Gefühle sprechen, müssen eine Sprache für unsere Gefühle erschaffen und sie benutzen, um das Schweigen zu brechen, das dazu dient, den Kreislauf von Krieg und Gewalt zu schützen und in Gang zu halten.
Wir glauben vielleicht, es liege gröÃere Sicherheit darin, stumm zu bleiben, die Geschichte unseres Traumas für uns zu behalten, doch darin liegt keine Sicherheit. Nicht die geringste. Wenn wir diese Geschichten oder die wichtigsten Abschnitte daraus für uns behalten, heiÃt das nicht, dass Menschen nichts von ihnen wissen. Es ist, als ob wir mit einer Decke über dem Kopf mitten in der Wüste stünden und glaubten, nur weil wir rings um uns herum nichts sehen, würde unsere Vorstellungskraft, unsere Einbildung, uns beschützen, würden wir nicht verdursten. Das ist Irrsinn. Eine Form von Selbstzerstörung. Die Verantwortung, den Prozess der Heilung anzugehen, mit dem Erzählen der Geschichten zu beginnen, liegt bei jeder und jedem von uns.
Wir sind die Flamme am Ende der Kerze. Wir besitzen die Fähigkeit, die Finsternis der Verleugnung zu durchbrechen: unsere eigene und die der Gesellschaft. Wir haben zu sprechen, wir müssen sprechen.
Mir ist immer klar gewesen, dass die Geschichte der Gewalt erzählt werden muss. Ich wusste es instinktiv. Es schien jedoch keine Möglichkeit zu geben, sie zu erzählen, und niemand schien Interesse zu haben, sie sich anzuhören. Die Menschen hörten nicht zu, weil sie nichts erfahren wollten. Sie verfügten nicht über die Bereitschaft und in manchen Fällen nicht über die Fähigkeit zu begreifen, wovon ich sprach. Anfangs begriff ich selbst nicht, wovon ich überhaupt sprach. Ich wusste nur, dass ich von meinen Erfahrungen erzählen musste. Wieder und wieder und wieder. Das trifft auf alle Menschen zu, die ein Trauma erlitten haben. Und wir alle haben das Trauma der Gewalt in unserem Leben erfahren, sei es direkt oder indirekt: eine Freundin oder ein Bekannter ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, Erwachsene erinnern sich, wie sie als Kinder missbraucht wurden, die endlosen Kriegsszenarien, die wir täglich im Fernsehen, in Zeitungen und Zeitschriften verfolgen können, die täglichen Berichte über Bombardierungen, SchieÃereien und sonstige Kämpfe in Israel und Palästina, Sri Lanka, Kaschmir, in Ruby Ridge, Waco, Oklahoma City sowie die Angriffe am 11. September 2001.
Ein Bekannter von mir bemerkte, dass »Posttraumatische Belastungsstörung« eine sehr triviale Bezeichnung für eine so tiefe Wunde sei, für eine spirituelle Verletzung, die so tiefgreifend und anhaltend ist. Es komme ihm vor wie eine praktische Schublade, in die wir die Erfahrung steckten, um sie handhabbar zu machen. Und weiter meinte er: »Ich frage mich, ob es das ist, was allen unseren Vätern, die aus dem Krieg heimgekommen sind, geschehen ist. Die so viele Stunden allein in ihren Werkstätten verbracht oder sich hinter ihre Zeitungen verkrochen haben, weil sie nicht kommunizieren konnten. Sie konnten keine Nähe herstellen. Die Kriegserfahrung hat ihnen das genommen.«
Genau so hat mein Vater sich verhalten. Oder er traf sich mit anderen Veteranen bei der American Legion, der Veteranenorganisation, wo sie tranken und sich Kriegsgeschichten erzählten. Sie waren gefangen in ihren Geschichten, sie verherrlichten und verklärten ihre Erfahrungen, statt sie als das anzuerkennen, was sie waren. Sie waren nicht in der Lage, sich anders zu verhalten. Sie waren unwillens oder unfähig, ihre Erfahrungen zu hinterfragen, das Phantasiegebilde zu durchbrechen, das wir alle gelernt haben, zu akzeptieren. Die meisten dieser Frauen und Männer, Veteranen des Zweiten Weltkriegs, sind im Kokon des Schweigens gefangen, viele von ihnen bis zum Tode.
Die physischen Wunden des Krieges sind, wiewohl offensichtlich, weniger bedeutsam als die Wunden, die nicht sichtbar sind. Die Wunden der Seele, die psychischen Wunden
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