Am Tor Zur Hoelle
diesen Ãbergang nicht auf Anhieb, sondern erst, als Thich Nhat Hanh mich das erste Mal einlud zu sprechen. Er bat mich, bei einem Retreat für Menschen aus helfenden Berufen zu sprechen, das in Plum Village abgehalten wurde. Es war das erste Mal, dass ich öffentlich über Vietnam sprach, über meine Handlungen während des Krieges und die daraus resultierenden Folgen. Es war das erste Mal, dass ich vor einer Gruppe Nicht-Veteranen sprach. Auf diesen ersten Vortrag folgte die Einladung, öfter zu sprechen, und dann folgten Einladungen, Retreats zum Thema Achtsamkeit und Meditation zu leiten. Mit dem ersten Vortrag begann für mich der Pfad der Heilung.
Durch die Meditationspraxis entdeckte ich, dass ich schon lange mit Menschen hatte arbeiten wollen, die von Gewalt und von den vielfältigen Auswirkungen des Krieges betroffen sind. Doch war ich mir nicht sicher, wie ich dem, was ich als Berufung empfand, folgen konnte. Ich wusste nur, dass dieser Ruf wichtig war und dass ich etwas tun musste. Ich wusste, dass die meisten Nicht-Veteranen Veteranen nicht verstanden. Ich wusste, dass die meisten NichtVeteranen auf der Welt sich ihrer Verantwortung für einen Krieg ebenso wenig bewusst waren wie der tiefgreifenden Folgen, die ein Krieg auch für
sie
hat. Ich verspürte überdies das dringende Bedürfnis, die Aufmerksamkeit auf die generationenübergreifenden Auswirkungen von Krieg zu lenken und auf das ererbte Leiden. Es sind stets die Nicht-Veteranen, die Krieg gutheiÃen, die Krieg befördern, die sich im konkreten Fall dafür eingesetzt haben, dass Truppen nach Vietnam geschickt wurden, und es sind die Nicht-Veteranen, die sich oftmals von den heimkehrenden Soldaten abwenden, um ihre eigene Mitwirkung am Krieg unter den Teppich kehren zu können.
Als ich aus Vietnam zurückkehrte, kehrte ich in eine Gesellschaft zurück, die versuchte, sich von der Verantwortung an jenem Krieg reinzuwaschen, indem sie diejenigen ausgrenzte, die gekämpft hatten. Die Botschaft lautete klar und deutlich, dass diejenigen, die in den Krieg gezogen waren, die Verantwortung trugen, und dass diejenigen, die nicht in den Krieg gezogen waren, irgendwie auch von der Verantwortung freigesprochen waren. Doch wenn wir die Sache näher betrachten, erkennen wir, dass wir diejenigen, die nicht kämpfen, nicht von denen trennen können, die kämpfen â wir sind alle für den Krieg verantwortlich. Krieg ist nicht etwas, das uns quasi von auÃen zustöÃt; Krieg ist ein Auswuchs unserer selbst, seine Wurzeln liegen in unserer Natur. In unser aller Natur.
Wenn ich anderen Veteranen des Vietnamkrieges begegne oder Veteranen aus dem zweiten Golfkrieg, russischen Veteranen des Krieges in Afghanistan, Veteranen des Bürgerkrieges in Kambodscha, bosnischen Soldaten, kroatischen Soldaten, serbischen Soldaten, Soldaten der UÃK, Soldaten aus allen Kriegen aus allen Zeiten und Ländern, dann höre ich von allen dieselbe Geschichte â sie fühlen sich nicht verstanden und Nicht-Veteranen meiden den Umgang mit ihnen oder belassen es bei möglichst oberflächlichen Kontakten. Ich glaube, dass Nicht-Veteranen aus einem triftigen Grund nicht den Versuch unternehmen, uns zu verstehen: Mit der Wirklichkeit unserer Erfahrungen in Berührung zu kommen würde bedeuten, mit der gleichen Art von Schmerz und Leid in sich selbst in Berührung zu kommen und demzufolge die eigene Verantwortung erkennen zu müssen.
Die Tatsache, dass Krieg uns in die Lage versetzt, Menschen zu töten und Gewalt auszuüben, bedeutet nicht, dass Nicht-Kämpfende dieses Potenzial nicht in sich trügen. Wir können vorgeben, nicht gewalttätig zu sein, doch wann immer wir mit Gewalt konfrontiert werden, verschlieÃen wir die Augen, wir möchten sie ignorieren, wir möchten sie als Gesellschaft insgesamt von uns schieben. Wenn wir diesen Teil in uns selbst nicht berühren, dann sind wir nicht ganz, sind wir nicht im Gleichgewicht. Was besagt das über eine Kultur wie die unsere in den Vereinigten Staaten, die von Gewalt, realer wie inszenierter, genährt wird? Die Gewalt als Medienknüller benutzt? Wenn die Gewalt näher zu Hause stattfindet, so wie bei der SchieÃerei an der Columbine High School, dann suchen wir die Gründe dafür in den psychischen Störungen der Jugendlichen und ihrer Familien, statt zu begreifen, dass sie nur ein Spiegelbild des gröÃeren
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