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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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um die Schultern legte, fühlte sie, wie eine angenehme Wärme ihren Körper erfüllte.
    In ihrer Höhle tauchte Bryan erst nach einigen Tagen auf. Er half Molly, ihre Beute nach Hause zu tragen, und griff lächelnd an seine Mütze, als er Fanny und ihre Mutter begrüßte. Mollys Befürchtung, er könnte den Reizen ihrer Schwester erliegen, war unbegründet, obwohl Fanny ihn unverhohlen bewunderte und mit ihm zu flirten versuchte. Aber beim gemeinsamen Essen setzte er sich dicht neben Molly und reichte ihr das größte Stück der gebratenen Forellen, und sie war ihrer Schwester auch nicht böse. Fanny flirtete mit jedem Mann. Sie konnte einfach nicht anders, das Talent war ihr angeboren.
    »Amerika«, sagte Bryan unvermittelt, als er gegessen hatte und sich den Mund abwischte. »Im Frühjahr fahre ich nach Amerika. Ich lasse diesen ganzen Schlamassel hinter mir und fange in Amerika ein neues Leben an!«
    Molly hörte ihn zum ersten Mal von seinen Plänen sprechen.
    »Ich hätte schon viel früher dorthin fahren sollen, aber zurzeit sind die Schiffe überfüllt und auf dem Meer soll es stürmen. Einige Schiffe sind schon gesunken. Aber im Frühjahr fahre ich, dann hält mich nichts mehr.«
    Eine solche Entscheidung war nichts Außergewöhnliches, auch Molly hatte mit ihrer Schwester und ihrer Mutter schon oft darüber gesprochen. Jeder zweite Ire dachte in diesen schweren Zeiten darüber nach, seiner Heimat den Rücken zu kehren. Ihr war zu Ohren gekommen, dass in Liverpool alle paar Stunden ein Schiff ablegte. »Amerika? Du willst nach Amerika auswandern?« Molly blickte ihn erstaunt an. »Und von was willst du dein Ticket bezahlen?«
    »Das findet sich.« Bryan strahlte zuversichtlich. »Wenn man etwas wirklich will, findet sich immer ein Weg. Ich habe mir lange genug von diesen verdammten Engländern auf der Nase rumtanzen lassen. Sie haben meinen Vater und meinen Bruder auf dem Gewissen und auch meine Mutter, denn wenn die Regierung in London was für uns getan hätte, wäre sie niemals gestorben. Ich habe genug! Für mich beginnt im Frühjahr ein neues Leben.«
    »Und du meinst, in Amerika ist wirklich alles besser?« Rose Campbell hatte sich von ihrem leichten Husten erholt, sah lange nicht mehr so schwach wie noch vor einigen Tagen aus. »Dort bekommt man auch nichts geschenkt.«
    »Ich will nichts geschenkt haben«, betonte Bryan. »Ich habe mich noch nie vor der Arbeit gedrückt. Aber ich will frei sein, endlich frei, und mir nichts mehr von anderen Leuten vorschreiben lassen. Amerika ist ein freies Land.«
    »Überall gibt es Leute, denen es besser geht als anderen.«
    »Aber in Amerika hat jeder die gleichen Chancen. Du kannst als armer Schlucker in New York an Land gehen und ein paar Jahre später Millionär sein. In Amerika ist alles möglich. Ich hab einen Mann getroffen, der dort war. Einen Farmer, den sie im letzten Frühjahr von seiner Farm gejagt hatten. Jetzt hat er einen eigenen Laden in Chicago und es geht ihm besser als jemals zuvor. Er war nur zurückgekommen, um seine Mutter rüberzuholen.«
    »Das klingt zu schön, um wahr zu sein.«
    »Es ist aber wahr. Es steht sogar in den Zeitungen. Ich hab mir einen Artikel vorlesen lassen, der hatte die Überschrift ›Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten‹. Über Irland hat das noch niemand gesagt. Selbst wenn die nächste Kartoffelernte gut ausfällt, bleiben wir immer arme Leute.«
    »Amerika«, flüsterte Molly hoffnungsvoll.
    Der Gedanke, mit ihrer Mutter und Schwester nach Amerika auszuwandern, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wenn es wirklich ein »Land der unbegrenzten Möglichkeiten« war, das jedem die gleichen Chancen einräumte, konnten es auch Frauen zu etwas bringen, selbst wenn sie alleinstehend waren. Aber vielleicht waren sie gar nicht allein, vielleicht gingen sie mit Bryan an Bord. Sie sah sich bereits neben ihm an der Reling stehen, den Blick auf den endlosen Ozean gerichtet und darauf wartend, dass die Umrisse von New York am Horizont auftauchten. Die Sonne würde vom blauen Himmel herunterlachen und sich in den Fenstern der unzähligen Häuser spiegeln. »Land in Sicht!«, würde ein Matrose rufen, und sein Ruf würde auch die anderen Passagiere an Deck locken, in der großen Erwartung, endlich ihre dunkle Vergangenheit hinter sich zu lassen und in eine neue strahlende Zukunft zu gehen. Fest umschlungen würden Bryan und sie amerikanischen Boden betreten und Gott für die Gnade danken, in Amerika ein neues Leben

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