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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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spuckte aber eine halbe Stunde später alles wieder aus und rührte nicht mal den Kräutertee an. Molly brachte ihr kühles Wasser aus dem Fluss, wusch ihr alle paar Minuten den Schweiß von der Stirn und hielt ihre Hand, versicherte ihr mit sanfter Stimme, dass Bryan in wenigen Stunden mit einem fetten Huhn zurückkehren und sie ihr eine schmackhafte Hühnerbrühe kochen werde. »Du wirst wieder gesund, Mutter!«, sagte Molly. »Das bisschen Fieber kriegen wir leicht weg.«
    Doch der zweite Tag verging, ohne dass Bryan auftauchte, und am Nachmittag des dritten Tages war er noch immer nicht zurückgekehrt. »Jetzt dauert es nicht mehr lange«, flüsterte sie ihrer Mutter ins Ohr. »Halt durch, Mutter!«
    Molly ließ sich von ihrer Schwester ablösen und trat vor die Höhle. Aus zusammengekniffenen Augen spähte sie in die Ferne. Der Regen hatte fast aufgehört, nur noch vereinzelte Tropfen nieselten auf das nasse Land herab.
    »Bitte, lieber Gott, lass ihm nichts passiert sein!«, schickte sie ein leises Stoßgebet zum Himmel. Sie ahnte natürlich, dass Bryan nicht auf legale Weise an ein Huhn kommen würde und deshalb in großer Gefahr schwebte, von den Besitzern erwischt und eingesperrt zu werden. Wenn er bei den Engländern stahl, bestand sogar die Möglichkeit, dass man auf ihn schoss. Die Soldaten, die in Castlebar stationiert waren, machten kurzen Prozess mit Dieben.
    Sie winkte ihre Schwester zu sich. »Ich gehe ihm entgegen, Fanny. Vielleicht ist ihm was passiert. Pass inzwischen gut auf Mutter auf. Ich versuche, bis spätestens morgen zurück zu sein. Sieh zu, dass sie so lange durchhält.«
    »Du willst mich allein lassen?«, erschrak Fanny. Sie fühlte sich wesentlich unwohler in der Wildnis als Molly, hatte sogar auf der Farm geschworen, irgendwann einen wohlhabenden Mann zu heiraten und in die Stadt zu gehen. Dass kein Edelmann mit einer Farmerstochter vor den Traualtar treten würde, glaubte sie nicht. »Ich würde sogar den Papst rumkriegen«, sagte sie dann.
    »Bis später, Fanny. Wünsch mir Glück!«
    »Viel Glück, Schwester!«
    Molly ging denselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Sie hielt ihren Kopf gegen den kühlen Nieselregen gesenkt, blieb aber alle paar Schritte stehen und suchte die Gegend nach Bryan ab. Es war immerhin möglich, dass er über die Hügel abgekürzt hatte und irgendwo verletzt im Gras lag. Ihr blieben höchstens noch vier Stunden, bis es dunkel wurde, und sie musste sich beeilen. Auf den Mond und die Sterne war bei diesem Wetter kein Verlass.
    Sie war gerade einmal zwei Stunden gelaufen und verharrte kurz am Ufer des Baches, als sie Bryan auf einem Felsbrocken sitzen sah. Er rieb mit einer Hand über den Knöchel seines linken Fußes und fluchte wütend vor sich hin. Zwischen seinen Füßen stand ein prall gefüllter Leinensack, aus dem die Beine von zwei Hühnern ragten. Ihr Herz machte einen Sprung vor Freude.
    »Bryan!«, rief sie. »Da bist du ja, Bryan! Ich hab nach dir gesucht!«
    Er verzog das Gesicht. »Ich hab mir den Knöchel verstaucht. Warum muss mir auch die verfluchte Mauer im Weg stehen? Wenn ich nicht gesprungen wäre, hätten sie mich in den Kerker geworfen oder an den Galgen gebracht.«
    »Du hast die Hühner gestohlen.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Weißt du, was sie für Hühner verlangen?«
    »Haben sie dich erkannt?«
    Er deutete auf seine rotblonden Locken. »Sie wissen nur, dass ich ein Mann bin und eine Mütze trage. Die Mütze liegt bei den Vorräten im Sack.«
    »Wie schlimm ist es?« Sie beugte sich zum Knöchel hinunter.
    »Nicht anfassen!« Er hielt schützend eine Hand vor seinen wehen Fuß und atmete erleichtert auf, als sie sich aufrichtete. »Es tut höllisch weh, aber es ist zum Glück nichts gebrochen. Ich bin so schnell gelaufen, wie ich konnte.«
    »Ich ... wir haben uns Sorgen um dich gemacht.«
    »Dann seid ihr die Ersten. Wie geht es deiner Mutter?«
    »Schlecht ... ihre Erkältung ist schlimmer geworden und sie isst kaum was. Sie braucht dringend die Brühe. Ich hab ihr versprochen, dass du ein fettes Huhn mitbringst. Ich wusste, dass du dich nicht erwischen lassen würdest.«
    Er brachte ein Grinsen zustande. »Einfach war’s nicht, das kann ich dir sagen. Die Engländer waren mir dicht auf den Fersen. Ich hab sie aus dem Stall einer Farm geklaut, auf der sich ein Mittelsmann und seine Männer breitgemacht hatten. Sie brieten ein ganzes Schwein und tranken Bier und Wein. Nur weil sie so laut und falsch sangen,

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