Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
blickte sie an und sagte grinsend: »Sieht ganz so aus, als hätten Sie Ihren Freund verloren. Wie wär’s, wenn Sie’s mal mit mir versuchen? Ich lauf Ihnen nicht weg.«
    Molly schob ihn ärgerlich zur Seite und lief ungeduldig weiter. Von der Menschenmenge, die sich zu einem der Auswandererschiffe schob, wurde sie wie von einer zähen Welle mitgezogen, erst unmittelbar vor der Gangway, wo zwei Angestellte die Tickets kontrollierten, gelang es ihr, auf den Pier zurückzukehren. »Bryan! Bryan!« Immer wieder rief sie seinen Namen und manch ein Bryan in unmittelbarer Nähe drehte sich nach ihr um, aber der Richtige war nicht darunter. Über eine Stunde lang suchte sie nach ihm, bevor sie mit feuchten Augen zu ihrer Mutter und ihrer Schwester zurückkehrte. »Bryan ist nicht da«, stieß sie erschöpft hervor. »Ich ... ich kann ihn nirgendwo finden.«
    »Wenn er nicht hier ist, hat er auch nicht verdient, dass du um ihn weinst«, sagte ihre Mutter. Sie war noch nie in ihrem Leben verliebt gewesen, nicht einmal in ihren eigenen Mann, und konnte nur erahnen, wie sie sich fühlte.
    »Er muss aber hier sein, Mutter!«
    »Du kannst später nach ihm suchen. Wir sollten uns erst mal um die Tickets kümmern und einen Agenten aufsuchen. Hier im Hafenviertel gibt es sicher welche, da wird doch ein ehrlicher und redlicher Mann darunter sein.«
    Sie brauchten nicht einmal zu suchen. Kaum waren sie einige Schritte gegangen, stellte sich Ihnen ein kleinwüchsiger Mann in Anzug und Zylinder in den Weg und versuchte sie mit einem strahlenden Lächeln zu überzeugen. »Habe ich da richtig gehört, meine Damen? Sie wollen eine Passage nach Amerika buchen? Da habe ich den richtigen Agenten für Sie! Folgen Sie mir bitte, meine Damen! So preiswert bekommen Sie Ihre Tickets nirgendwo!«
    Der kleine Mann, anscheinend aus einem Zirkus, führte sie mit überschwänglichen Gesten in eines der nahen Häuser und öffnete die Tür zu einem Büro im Erdgeschoss. »Mister Walker, ich habe Kundschaft für Sie!«
    Die Tür schwang auf und ein Mann kam ihnen entgegen. Er war um die Dreißig, trug weite Hosen und eine kurze Jacke wie die meisten Gentlemen in England und reichte ihnen lächelnd die Hand. »Hereinspaziert, meine Damen! Maximilian Walker! Sie wollen eine Passage nach Amerika buchen?«
    »Ja«, erwiderte Rose Campbell, »das heißt ... nun ja ...«
    Der Mann wusste seine Kunden einzuordnen. Ein Blick auf ihre alten Kleider genügte, um ihm zu verraten, dass sie von der Nachbarinsel kamen und kaum einen Penny besaßen. »Die Damen kommen aus Irland, nehme ich an.«
    »Ja, Sir.« Rose Campbell fühlte sich sichtlich unwohl in der Gesellschaft des gewandten Mannes. »Rose Campbell ... meine Töchter Molly und Fanny.«
    »Willkommen in Liverpool!« Sein Lächeln wirkte gekünstelt und aufgesetzt. »Nicht alle Engländer sind so schlimm, wie Sie denken, wissen Sie?« Ein Satz, den er wohl für alle Iren bereithielt. Sein Lächeln verschwand und wie auf Kommando erschien ein wehmütiger Ausdruck auf seinem Gesicht. »Ich weiß natürlich, wie schwer Sie es haben, meine Damen, und glauben Sie mir, ich habe großes Mitleid mit den Bewohnern Ihres Landes. Wenn es nach mir ginge, würde Ihnen die Regierung stärker unter die Arme greifen, aber die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Ich kann unseren Nachbarn nur dabei helfen, so schnell wie möglich nach Amerika zu kommen und dort neu anzufangen. Deshalb haben wir den Preis für ein Ticket nach New York auf drei Pfund herabgesetzt. Glauben Sie mir, das ist ein absoluter Vorzugspreis!«
    »Wir wollten Sie eigentlich um einen Kredit bitten«, sagte Rose Campbell. »Wir würden das Geld zurückzahlen, sobald wir Arbeit in Amerika gefunden und genug verdient haben. In New York kommen wir sicher schnell unter.«
    »Das bezweifle ich nicht, Mrs. Campbell.« Der Agent machte keine Anstalten, sich hinter seinen Schreibtisch zu setzen. »Aber ich kann Ihnen den Kredit leider nicht gewähren. Nicht, weil ich Sie für kreditunwürdig halte, ganz im Gegenteil, ich bin sicher, Sie sind eine absolut zuverlässige Kundin, aber unsere Agentur ist Teil einer großen Firma und wir ha-ben strikte Anweisung, keine Kredite zu gewähren. Tut mir leid, meine Damen, aber so ist es nun mal.« Er lächelte zuversichtlich. »Aber weil Sie es sind, will ich Ihnen einen Tipp geben. Ein guter Freund ist an einer Nähfabrik in New York beteiligt und könnte so hübsche und gewandte Damen wie Sie und Ihre Töchter bestimmt

Weitere Kostenlose Bücher