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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Meer geblickt, die Irische See, die nur eine Tagesreise entfernt gegen die Küste der alten Heimat schwappte. »Ich habe Irland immer geliebt, die grünen Hügel, die dunkle Erde, in der unsere Kartoffeln wuchsen. Ein Jammer, dass es so weit kommen musste.«
    »Der Herrgott will wohl, dass wir die Heimat verlassen, sonst hätte er uns keine Hungersnot geschickt«, erwiderte Molly. »Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als auszuwandern.« Auch sie liebte die alte Heimat, war aber ebenso begeistert von den Möglichkeiten, die ihnen ein freies Land wie Amerika bot. Nur dort gab es eine Zukunft. »Sieh nur, die vielen Menschen im Hafen! Die wollen alle nach Amerika. Wo sollen sie auch sonst hin? Nach England?«
    »Kein Ire will nach England.«
    »Wir tun das Richtige, Mutter!«
    »Ich würde am liebsten schon morgen fahren«, sagte Fanny. Seitdem sie die Tickets für die Überfahrt nach Liverpool besorgt hatte, schien sie nicht mehr die geringste Angst vor der Zukunft zu haben. »Was meint ihr? Soll ich ein bisschen nett zu dem Agenten sein, wenn wir ihn um einen Kredit bitten? Vielleicht berechnet er uns dann keine Zinsen. Ich kriege jeden Mann rum, Mutter. Die werden weich wie Butter, wenn ich Ihnen um den Bart gehe.«
    »Kommt nicht infrage!«
    »Lass es mich wenigstens versuchen!«
    »Kommt nicht infrage, habe ich gesagt!« Ihre Mutter blickte sie strafend an. »Mir reicht schon, dass du zu diesem Farmer nett gewesen bist! Oder willst du in Zukunft jeden Tag zum Beichten gehen? Auch die Geduld unseres Herrgotts ist nicht unbegrenzt. Irgendwann bestraft er dich für dein Tun.«
    »Ich will doch nichts Böses tun. Ein wenig mit ihm flirten ...«
    »Nein, habe ich gesagt!« Seitdem ihre Mutter genug zu essen bekam und an Kraft gewonnen hatte, erinnerte sie sich auch daran, wer das Sagen in der Familie hatte. »Wir suchen uns einen seriösen Agenten und schließen einen Vertrag, der auch drüben Bestand hat. Es sind doch nicht alles Betrüger. Oder ...«, und man hörte ihr an, dass sie an diese Möglichkeit auch nicht glaubte, »... wir suchen uns Arbeit und bleiben so lange in Liverpool, bis wir das Geld für unsere Tickets zusammenhaben. Sag du auch mal was, Molly!«
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie ehrlich. »Mir hat man gesagt, dass es hier nur Betrüger gibt, und wenn wir arbeiten, dauert es Monate, bis wir das Geld für die Tickets haben. Ich hoffe immer noch, dass Bryan auf uns wartet. Er weiß immer einen Ausweg.« Sie blickte sehnsuchtsvoll zum Landungssteg, wo sich Hunderte von Menschen drängten. »Vielleicht steht er dort drüben.«
    Die Miene ihrer Mutter entspannte sich. »Ich würde mir nicht zu große Hoffnungen machen, mein Kind. Wenn Bryan etwas an dir liegen würde ...«
    »Er liebt mich!«, unterbrach Molly sie barsch.
    Der Schoner hatte den Pier erreicht und wirkte zwischen den dreimastigen Segelschiffen, die in unmittelbarer Nachbarschaft lagen, beinahe winzig. Vom Oberdeck beobachtete Molly, wie einige Männer an Land die Taue auffingen, die ihnen die Matrosen zuwarfen, und den Schoner vertäuten. Mit den vielen anderen Passagieren drängten sie über die Niedergänge zum Ausgang und erreichten über die Gangway festen Boden. Sie brauchten eine Weile, um sich daran zu gewöhnen. Ungeduldig drängende Menschen empfingen sie, hauptsächlich Passagiere des Dreimasters gegenüber, der in wenigen Stunden nach New York ablegen würde, verzweifelte Auswanderer, die nicht schnell genug an Bord kommen konnten und keine Sekunde länger als unbedingt nötig auf englischem Boden bleiben wollten. Der irische Dialekt überwog, fast alle Passagiere waren vor der großen Hungersnot aus Irland geflohen.
    Weil sie außer den beiden Leinenbeuteln, die Molly und ihre Schwester trugen, kein Gepäck hatten, kamen sie schneller voran als die meisten anderen Passagiere, die Koffer und Taschen schleppen mussten. Nur Molly blieb alle paar Schritte stehen. Vergeblich suchte sie in dem Gedränge nach Bryan. Als ihre Mutter und ihre Schwester bereits die Verwaltungsgebäude erreicht hatten, drehte sie sich noch einmal um und lief ziellos in die Menschenmenge. »Bryan! Bryan! Wo bist du?«, rief sie so laut, dass sich ihre Stimme überschlug, doch in dem aufgeregten Stimmengewirr im Hafen hörte sie niemand außer den Passagieren, die unmittelbar in ihrer Nähe standen, und selbst die beachteten sie kaum. Nur ein junger Mann, der anscheinend allein unterwegs war und einen Proviantbeutel über den Schultern hängen hatte,

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