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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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grinste, und anders als zuvor bei der Gräfin gesellte sich bei ihr noch eine Portion Dreistigkeit hinzu. »An denjenigen, den Sie vor wenigen Augenblicken mit Ihrer Bleispritze in die Flucht geschlagen haben«, gab sie kaltschnäuzig zur Antwort.
    »Das ist eine glatte Lüge!«
    »Durchsuchen Sie mein Abteil, wenn Sie mir nicht glauben«, entgegnete Sarah. »Aber«, fügte sie mit Blick auf die offen stehende Tür ihrer Kabine zu, »vermutlich haben Sie das ja längst getan, oder?«
    Ein Blick in die zorngeröteten Züge ihres Gegenübers genügte, um Sarahs Vermutung zu bestätigen. Während sie auf dem Waggondach um ihr Leben gebangt hatte, hatte die Gräfin ihr Abteil durchwühlt, dabei jedoch nicht das gefunden, wonach sie gesucht hatte …
    »Waren Sie von Anfang an auf deren Seite?«, wollte Sarah wissen. »Oder haben Sie sich irgendwann entschlossen, die Fronten zu wechseln?«
    »Du weißt nichts! Nichts weißt du!«, zischte die Gräfin, dabei abrupt in die vertraute Anrede verfallend. »Weder kennst du deine Kräfte, noch ahnst du, mit wem du dich eingelassen hast.«
    »Etwas in der Art hat man mir bereits einmal gesagt«, erwiderte Sarah trotzig. »Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben – es ist mir gleichgültig geworden. Das ist der Grund dafür, dass ich mich auf Ihr Schmierentheater eingelassen habe.«
    »Du hast dich darauf eingelassen?« Die Gräfin lachte höhnisch. »Wie immer hat es etwas zutiefst Anrührendes, wenn der Schwanz mit dem Hund zu wedeln versucht. Du vermessenes Ding! Jeder deiner Schritte war vorbestimmt, von dem Augenblick an, da du nach Yorkshire zurückgekehrt bist. Hast du ernstlich geglaubt, dich vor uns verstecken zu können? Dass es einen Ort auf dieser Welt geben würde, an dem das Eine Auge dich nicht sieht?«
    »Nein«, gestand Sarah erschüttert ein, »das ist mir in dem Moment klar geworden, als ich im Nebel jener düsteren Gestalt begegnete. Anfangs hielt ich sie für eine Täuschung, für ein bloßes Hirngespinst – aber schon kurz darauf war mir klar, was es zu bedeuten hatte.«
    »Alles, was darauf folgte«, enthüllte die Gräfin mit genüsslicher Langsamkeit, als wollte sie das Gift in jedem einzelnen ihrer Worte wirken lassen, »war sorgfältig und von langer Hand geplant. Kamals Verhaftung, seine Inhaftierung in Newgate …«
    »Wie konnten Sie von seiner Vergangenheit wissen?«
    »Das Eine Auge sieht und weiß alles. Das Netz unserer Informanten ist eng gestrickt, und es reicht in eingeweihte Kreise. Das alles hat zu unserem Plan gehört – von dem rätselhaften Fieber, das deinen Geliebten befiel, bis zu deiner Suche nach dem Heilmittel.«
    »Und Laydon?«, fragte Sarah.
    »Laydon?« Die Gräfin zuckte mit den schmalen Schultern. »Er war mein Vorgänger – ein Mann, dessen Fähigkeiten und dessen Selbsteinschätzung weit auseinander gehen, worüber er wohl den Verstand verloren hat. Dennoch war er nützlich, denn mir war klar, dass du ihn als Erstes um Rat fragen würdest.«
    »War er eingeweiht?«
    »Natürlich nicht. Wir haben ihm gerade genug gesagt, um dich auf die richtige Spur zu bringen. Welchem Zweck all dies diente, entzog sich seiner Kenntnis. Und ich bezweifle, dass er in der Lage gewesen wäre, es zu begreifen. Laydon war nur eine Figur in unserem Spiel – genau wie du.«
    »Täuschen Sie sich nicht«, sagte Sarah nur.
    »Willst du behaupten, du hättest unser Komplott durchschaut?« Die Gräfin schüttelte den Kopf. »Das ein oder andere magst du geahnt haben, aber wie schon dem alten Gardiner Kincaid fehlt auch dir der Blick für das große Ganze. Bereitwillig bist du unseren Hinweisen gefolgt und nach Prag gekommen, auf der Jagd nach einem Phantom. Zu diesem Zeitpunkt wärst du bereit gewesen, uns alles zu glauben – schließlich ging es um das Leben deines Geliebten Kamal, nicht wahr?«
    »In der Tat.« Sarah nickte.
    »Vermutlich«, fuhr die Gräfin fort, »hätte sich nichts an diesem Zustand geändert, wäre die Rolle des Golems nicht von einem Agenten gespielt worden, der uns Treue vorgaukelte, in Wahrheit jedoch der Irrlehre verfallen ist. Indem er dir den Codicubus gab, hat er Sand ins Getriebe unseres Plans gestreut, und wir mussten neu taktieren. Fortan hatte unser Interesse nicht nur dem Wasser des Lebens zu gelten, sondern auch dem Codicubus.«
    »Ich verstehe«, sagte Sarah nur. »Deshalb also der Überfall, richtig? Und deshalb auch die beschädigten Gleise und die unterbrochene Fahrt …«
    »Wir mussten ein wenig Zeit

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