Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
bis fünfzehn Yards tiefer schoss, zu beiden Seiten von massivem Fels gesäumt, türkisfarbenes Gebirgswasser dahin. Bald sammelte es sich in kleinen Becken, die es ins Gestein gehöhlt hatte, bald bildete es schäumende Strudel oder fiel über Katarakte, bald verschwand es ganz zwischen den Felswänden der Schlucht, die oft nur wenige Yards voneinander entfernt waren, um ein Stück stromabwärts wieder aufzutauchen und dann erneut zu verschwinden.
    »Stená Achéronia wir diesen Abschnitt des Flusses nennen«, kommentierte Perikles, »die Engen des Acheron.«
    Schwer atmend vom beschwerlichen Aufstieg standen sie am Rand der Schlucht und blickten auf das Naturschauspiel. Selbst die Maultiertreiber, die sich sonst eher im Hintergrund hielten, drängten nach vorn, um die Quelle des mächtigen Rauschens zu sehen.
    »Unglaublich«, kommentierte Hingis und deutete in den Abgrund, in dem es schäumte und brodelte. »Das Wasser hat sich derart tief zwischen die Felsen gegraben, dass es mitunter kaum zu sehen ist.«
    »In der Tat«, bestätigte Sarah. »Deshalb glaubten in der Antike auch viele, dass diese Schlucht den Eingang zum Hades bildete.«
    »Der bewacht wurde vom Kerberos«, fügte Hingis hinzu, »einem dreiköpfigen, Schwefel atmenden Höllenhund mit tödlichem Schlangenschwanz, mörderischen Fängen und giftigem Geifer.«
    »Arketá, Doktor«, winkte Perikles ab. »So genau ich wollte gar nicht wissen.«
    »Keine Sorge«, versicherte Sarah, »es ist nur eine Sage.«
    »Ach ja?«, fragte Hingis und schickte ihr einen herausfordernden Seitenblick. »Wer hat denn behauptet, dass sich hinter jeder Sage ein wahrer Kern verbirgt? Trifft Ihre Theorie nun zu oder nicht?«
    »Das werden wir sehr bald herausfinden«, erwiderte Sarah entschlossen und ging zurück zu ihrem Pferd, um das Seil zu holen, das am Sattelknauf befestigt war.
    »Was haben vor?«, wollte Perikles wissen.
    »Ich werde mich in die Schlucht abseilen und mir das aus der Nähe ansehen«, verkündete Sarah.
    »Kommen nicht in Frage«, lehnte der Führer rundheraus ab. »Nicht unnötig Leben riskieren. Dort unten nichts ist.«
    »Also auch nichts, das mir gefährlich werden könnte, richtig?«, fragte Sarah, während sie bereits dabei war, das eine Ende des Seils um einen nahen Baum zu knoten. Aus einer ihrer Satteltaschen beförderte sie eine kleine, gläserne Flasche zutage, die mit einem Korken verschlossen war und die sie dazu benutzen wollte, eine Wasserprobe zu entnehmen. Nur, um ganz sicher zu gehen …
    »Sein keine gute Idee«, beharrte Perikles.
    »Vielleicht nicht«, räumte Sarah ein. »Aber ich muss dorthinunter. Ich muss wissen, was es mit diesen Höhlen auf sich hat. Und ich will wissen, ob sich das Wasser dort von gewöhnlichem Gebirgsquellwasser unterscheidet.«
    »Dann gehen jemand anderer«, schlug der Makedone vor.
    »Bedauerlicherweise kann ich nicht«, sagte Hingis mit Blick auf seine Prothese.
    »Sie sind entschuldigt«, versicherte Sarah mit nachsichtigem Lächeln. »Sie haben ohnehin schon weit mehr getan, als ich jemals erwarten konnte.«
    »Endáxei«, knurrte Perikles, »dann ich werde gehen.«
    »Das musst du nicht.«
    »Möchte es aber. Bin für Ihre Sicherheit verantwortlich, Lady Kincaid, dafür Sie mich bezahlen.«
    »Aber ich …«
    »Ich bestehe darauf, Sarah«, sagte nun auch Hingis. »Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, Sie in diese Kluft steigen zu sehen.«
    Sarah zögerte und schaute von einem zum anderen. »Also schön«, erklärte sie sich schließlich bereit.
    »Bleiben hier?«
    Sie nickte.
    »Sehr gut. Perikles Sie wird nicht enttäuschen«, versicherte der Führer und ging nun seinerseits daran, sich auf den Abstieg vorzubereiten. Mit ledernen Handschuhen versehen sowie mit einer Laterne und dem Probenfläschchen am Gürtel begab er sich schließlich auf die waghalsige Kletterpartie, die ihn über die Abbruchkante und dann steil in die Tiefe führte.
    Eine Weile lang konnten Sarah und ihre Gefährten ihn noch von oben sehen, dann verschwand er unter einem Felsvorsprung. Kurz darauf ließ der Zug am Seil nach, was bedeuten musste, dass Perikles den Grund der Schlucht erreicht hatte. In banger Erwartung fragte sich Sarah, was er dort finden mochte …
    Sie versuchte, sich durch Zuruf mit ihm zu verständigen, aber das Rauschen des Flusses machte dies unmöglich. Es blieb ihr also nur, abzuwarten, bis der Führer zurückkehrte.
    Eine geschlagene Stunde verging, sodass Sarah und Hingis sich allmählich Sorgen

Weitere Kostenlose Bücher