Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
wurde offensichtlich, denn der Aufbau der Zelte nahm mehr Zeit in Anspruch als sonst. Dass Perikles seine Leute zur Eile antrieb und ihnen die Entlohnung zu kürzen drohte, änderte daran nichts. Sarah konnte die Unruhe der Männer deutlich fühlen, und ihr war klar, dass es nicht nur die Furcht davor war, erneut zwischen die Fronten zu geraten, die die Treiber in Atem hielt, sondern etwas, das weit jenseits davon lag …
    Sie nutzte die Zeit bis zum Abendessen, um in ihrem Zelt die Wasserprobe zu untersuchen, die Perikles besorgt hatte. Eine der Kisten, die die Maultiere trugen, enthielt, eingebettet in Sägespäne, damit sie beim Transport nicht zerbrachen, Reagenzgläser und chemische Substanzen, die eine Reihe grundlegender Analysen erlaubten. Jedoch gelang es Sarah weder, Mineralien in besonderer Konzentration nachzuweisen, noch gab es sonstige Auffälligkeiten.
    Es war, wonach es aussah.
    Gewöhnliches Wasser.
    Nicht mehr, nicht weniger.
    Ein wenig frustriert verließ Sarah ihr Zelt und setzte sich ans Feuer, um etwas von dem Eintopf zu essen, den Alexis der Koch zubereitet hatte und der nach Kümmel und Koriander roch. Es dauerte nicht lange, bis sich Perikles zu ihr gesellte, einen sichtlich verärgerten Ausdruck im Gesicht.
    »Etwas nicht in Ordnung?«, erkundigte sich Sarah.
    »Sie nicht gehorchen«, beschwerte sich der Führer entnervt. »Fürchten sich noch immer.«
    »Wovor?«, erkundigte sich Sarah. Doch wie zuvor blieb Perikles eine Antwort schuldig und begnügte sich damit, den dampfenden Eintopf in sich hineinzulöffeln. Sarah ließ nicht locker. »Kannst oder willst du es mir nicht sagen?«, erkundigte sie sich.
    »Nicht müssen wissen«, beschied ihr der Führer mit vollem Mund. »Endáxei.«
    »Nichts ist in Ordnung«, widersprach Sarah energisch. »Als Leiterin dieser Expedition habe ich ein Recht darauf zu erfahren, was hier vor sich geht. Also immer heraus mit der Sprache: Wovor haben die Treiber Angst?«
    »Vor dem Fluss«, erwiderte Perikles so leise, dass man ihn kaum verstehen konnte.
    »Vor dem Fluss?« Sarah hob die Brauen.
    »Haben gehört, dass Fluss der Toten, nun haben Angst.«
    »Ich verstehe.«
    »Nur alter Aberglaube, nichts weiter«, versicherte der Makedone, als wollte er Sarah damit beruhigen. Die Art und Weise, wie er ihren Blick mied und es vorzog, geradeaus in die Flammen zu starren, ließ jedoch darauf schließen, dass er es viel nötiger gehabt hätte, beruhigt zu werden. »Expedition seltsam«, sagte er nur.
    »Wie meinst du das?«
    »Seltsame Vorzeichen, seltsame Reise.« Für einen kurzen Moment wandte er den Blick vom Feuer und schaute Sarah an. »Seltsame Frau«, fügte er dann hinzu.
    »Das sagtest du bereits.« Sie nickte. »Aber was meinst du, wenn du von seltsamen Vorzeichen sprichst?«
    »Perikles weiß es nicht.« Er schüttelte den Kopf und blickte wieder in die Flammen. »Nur ein Gefühl. Aber sagen, dass etwas anders ist auf dieser Reise. Schon viele Ausländer geführt, auch ingilizé. Aber noch nie …«
    »Ich höre?«, hakte Sarah nach.
    »Noch nie gefühlt so eigenartig«, erwiderte der Führer nach kurzem Nachdenken. »Als ob …«
    »Ja?«
    Perikles zögerte, dann wandte er erneut das Haupt und schickte Sarah einen undeutbaren Blick. »Als ob etwas tun, das verboten ist, und alte Götter uns dafür bestrafen«, sagte er dann. »Verstehen, was ich meine?«
    »Nein«, behauptete Sarah steif.
    »Wonach sucht Lady Kincaid wirklich?«, fragte Perikles und schaute sie herausfordernd an. »Was wahrer Grund dieser Reise?«
    »Ich habe es dir schon gesagt – ich suche ein Mittel, um den Mann zu heilen, den ich liebe.«
    »Liebe tamam.« Er nickte. »Aber bisweilen, sie macht die Menschen blind. Es Regeln gibt, die nicht verletzt werden dürfen. Gleichgewicht, das nicht gestört werden darf, sonst Götter zürnen.«
    »Du glaubst noch an die alten Götter?«, fragte Sarah skeptisch.
    »Sind noch immer hier«, erwiderte der Makedone und machte eine ausgreifende Handbewegung, die den Wald, den nahen Fluss und selbst die Berge einzuschließen schien. »Gehören zu diesem Land, auch wenn nicht mehr an sie glauben. Sie verstehen?«
    »Durchaus«, versicherte Sarah, während sie sich sagte, dass der gute Perikles den walachischen Führern in Sachen Aberglauben in nichts nachstand. Warum aber, fragte sie sich, konnte sie seine Einwände dann nicht einfach beiseite wischen, sie als das Geschwätz eines Einheimischen abtun, für den die Aufregungen der letzten Tage

Weitere Kostenlose Bücher