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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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offenbar ein wenig zu viel gewesen waren …?
    Als es im nahen Gebüsch raschelte, griffen sowohl Sarah als auch der Führer sofort zu den Waffen. Die in ein dickes Bärenfell gehüllte Gestalt, die aus dem Dunkel trat, stellte sich jedoch als Friedrich Hingis heraus, der die erste Wache übernommen hatte und nun zurückkam, um sich ablösen zu lassen.
    Während Perikles bereitwillig ging und seine Schicht antrat, ließ sich Hingis am Feuer nieder, um sich zu wärmen. Zwar war es längst nicht so kalt wie in den Bergen, sodass man tagsüber auf wärmendes Fell verzichten konnte; des Nachts jedoch sanken die Temperaturen empfindlich ab, und feuchte Kälte kroch aus dem Flussbett empor, um sich als klammer Nebel niederzuschlagen.
    Wortlos griff Hingis nach einem der Teller aus emailliertem Blech, die Alexis bereitgestellt hatte, und holte sich eine Portion von dem Eintopf, der im Kessel über dem Feuer blubberte.
    »Nicht schlecht«, kommentierte er, nachdem er davon gekostet hatte. »Was vielleicht fehlt, ist etwas Käse.«
    »Nächstens sollten Sie unbedingt welchen von zu Hause mitnehmen«, schlug Sarah vor und lächelte.
    »Das nächste Mal«, bestätigte Hingis.
    Vorausgesetzt, dachte Sarah, es würde ein nächstes Mal geben …
    »Was haben Sie?«, erkundigte sich der Schweizer, der die Anspannung in ihrem Gesicht zu bemerken schien.
    »Nichts.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Sarah.« Er ließ den Löffel sinken und schaute sie durchdringend an. »Ich kenne Sie inzwischen zu gut und zu lange, als dass Sie mir etwas vormachen könnten. Ich sehe Ihnen an, dass Sie sich Sorgen machen. Ist es wegen Kamal?«
    »Ja«, bestätigte Sarah. »Und nein.«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Ich hatte gerade ein aufschlussreiches Gespräch mit Perikles. Er sagt, unsere Treiber würden sich vor dem Acheron fürchten.«
    »Etwas in der Art habe ich mir gedacht. In den letzten Tagen wurden sie zunehmend unruhiger …«
    »Auch Perikles hat Angst. Er sorgt sich, dass unsere Mission das Gleichgewicht des Kosmos stören und dass die Götter der Alten Welt uns zürnen könnten.«
    »An derlei Hokuspokus werden Sie doch wohl nicht glauben?«
    »Wollen Sie wissen, was ich tatsächlich glaube?«
    »Aber ja.«
    »Ich denke, dass der gute Perikles auf diese Weise dieselben Bedenken zum Ausdruck bringt, die auch Sie bereits geäußert haben, wissen Sie noch?«
    »Gewiss.« Hingis nickte.
    »Diese Menschen mögen einfach und von schlichter Natur sein, aber vielleicht haben sie sich gerade dadurch ein Gespür bewahrt, das mir längst abhanden gekommen ist.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, bestätigte Hingis, und einmal mehr ging Sarah auf, wie sehr sich der Schweizer verändert hatte. Denn der Friedrich Hingis, dem sie vor mehr als zweieinhalb Jahren an der Pariser Sorbonne begegnet war und der Gardiner Kincaids Theorien in der Luft zerrissen hatte, hätte keine Gelegenheit ausgelassen, um darauf zu verweisen, dass er von Beginn an Recht gehabt hatte und sie Unrecht …
    Eine Weile lang starrte Sarah nachdenklich ins Feuer, von dem angenehme Wärme ausging, während sie im Rücken trotz der mit Pelz gefütterten Jacke zu frieren begann. Dann wandte sie den Blick und schaute Hingis fragend an. »Denken Sie, dass wir uns auf verlorener Mission befinden, Friedrich?«, fragte sie. »Vielleicht gar auf einer verbotenen Mission?«
    Die Tatsache, dass sich Hingis mit der Erwiderung Zeit ließ, belegte, dass er die Frage ebenfalls schon erwogen, jedoch noch keine schlüssige Antwort darauf gefunden hatte.
    »Lassen Sie es mich folgendermaßen ausdrücken, Sarah«, sagte er schließlich. »Seit die Bruderschaft des Einen Auges Ihre Pfade gekreuzt hat, haben Sie Geheimnisse entschlüsselt, die nicht ohne Grund über Jahrtausende hinweg vor den Augen der Menschheit verborgen waren. Ich weiß nicht, was diese Verbrecher bezwecken, aber wo das Wasser des Lebens gewesen ist, war stets auch das Elixier des Todes nicht fern. Möglicherweise kann das eine aus dem anderen gewonnen werden, und mir graut vor dem Gedanken, was die Bruderschaft damit anstellen könnte. Ich bin Ihr Freund, Sarah, und ich werde Sie nach Kräften unterstützen – aber sollte ich den Eindruck gewinnen, dass diese Sache außer Kontrolle gerät, so werde ich alles daransetzen, das Elixier zu vernichten.«
    »Ist das der Grund, weshalb Sie unbedingt an dieser Expedition teilnehmen wollten? Der wahre Grund, meine ich?«
    »Wie ich schon sagte, Sarah, bin ich Ihr Freund. Aber

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