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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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mein Gatte nicht mehr unter den Lebenden weilt. Man beließ mir Titel und Besitz, doch anders als zu den Zeiten, da mein Mann an der Universität dozierte, bin ich dort nicht mehr gelitten. Vergessen sind die großzügigen Spenden, die meine Familie dem Wissenschaftsrat zukommen ließ, vorbei die Zeiten, in denen man Ludmilla von Czerny ihrer Klugheit und Belesenheit wegen lobte. Inzwischen«, fügte sie angewidert hinzu, »sind diese Speichellecker und Intriganten nur noch daran interessiert zu erfahren, wann ich erneut heiraten werde und wer dereinst all dies erben wird. Da es uns nicht vergönnt war, Kinder zu haben, gibt es hier Raum für allerhand Spekulationen, wie Sie sich vorstellen können.«
    »Das kann ich allerdings«, bestätigte Sarah, überrascht nicht nur von der Offenheit ihrer Gastgeberein, sondern auch von ihrem Mut – und sie begann zu begreifen, was für Ähnlichkeiten Friedrich Hingis gemeint hatte.
    Genau wie sie selbst schien auch Ludmilla von Czerny eine Frau zu sein, deren Interesse an der Welt weitaus größer und umfassender war, als die Gesellschaft es ihr zubilligen wollte. Zwar verliehen ihr Stand und ihr Besitz ihr gewisse Möglichkeiten, jedoch schien sie genau wie Sarah weit davon entfernt, dafür öffentliche Anerkennung zu finden. Diese Ungerechtigkeit ließ sie tatsächlich in gewisser Weise zu Schwestern werden, ganz sicher aber machte es sie zu Verbündeten, und Sarah gestand sich ein, dass sie sich ein wenig in dieser Frau erkannte. Sie fühlte mit ihr, als würde ihre Freundschaft schon seit Jahren bestehen – dabei waren sie einander eben erst begegnet …
    »Darf ich Sie zu einer Tasse Tee einladen?«, erkundigte sich die Gräfin, auf den Tisch deutend, auf dem ein silbernes Service bereitstand. »Mir ist natürlich bewusst«, fügte sie entschuldigend hinzu, »dass es nach britischen Maßstäben bereits entschieden zu spät dafür ist. Aber da mir die genaue Uhrzeit Ihres Eintreffens nicht bekannt war, war es mir leider nicht möglich, das Dinner rechtzeitig zubereiten zu lassen …«
    »Sie sind sehr freundlich«, entgegnete Sarah lächelnd. »Eine Tasse Tee wäre wunderbar.«
    »Setzen Sie sich«, forderte die Gräfin sie und Hingis auf, während Antonín zwei Diener herbeiwinkte, die frischen Tee brachten und ihn in die zierlichen Tassen gossen. Als sie tranken, fiel Sarah das Schmuckstück auf, das die Gräfin am Zeigefinger ihrer rechten Hand trug. Es war ein goldener Siegelring, dessen ovaler Stempel ein außergewöhnliches Motiv zeigte.
    Einen ägyptischen Obelisken …
    Dem unaufmerksamen Beobachter wäre der Ring angesichts der ausgeprägten Neigung, die die Gräfin zu extravagantem Goldschmuck zu verspüren schien, wohl gar nicht aufgefallen. Aber Sarah erinnerte sich, ein solches Schmuckstück schon einmal gesehen zu haben – an der Hand jenes Mannes, der möglicherweise einst den britischen Thron erben würde …
    »Wie ich sehe, bewundern Sie meinen Ring«, sagte die Gräfin, der Sarahs starrender Blick nicht verborgen blieb. »Haben Sie auch eine Vorliebe für wertvollen Tand?«
    »Offen gestanden nein«, widersprach Sarah. »Ich konnte mit derlei Dingen noch nie viel anfangen. Ein interessantes Buch war mir immer lieber als Gold und Geschmeide …«
    »So haben wir also doch etwas gefunden, das uns unterscheidet«, meinte die Gräfin und lachte zurückhaltend.
    »… dennoch«, fuhr Sarah unbeirrt fort, »glaube ich, dass es sich hierbei um ein besonderes Kleinod handelt.«
    »Dies hier?« Die Gräfin schenkte dem Rücken ihrer rechten Hand einen despektierlichen Blick. »Nicht, dass ich wüsste. Ich fand diesen Ring im Nachlass meines Gatten, und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich ihn nur aus sentimentalen Gründen ausgewählt.«
    »Ich verstehe«, sagte Sarah nur.
    »Erinnerungen sind etwas Sonderbares, nicht wahr«, fügte die Gräfin hinzu. »An manchen Tagen können sie uns Trost und Hoffnung auf eine bessere Zukunft verschaffen; an anderen stürzen sie uns in Abgründe, die wir zuvor kaum erahnten.«
    »Das ist nur zu wahr.« Sarah nickte. »Der Ring stellt einen Obelisken dar, nicht wahr?«
    »Allerdings. Das alte Ägypten und seine Geheimnisse haben mich von jeher fasziniert.«
    »Genau wie mich«, bestätigte Sarah.
    »Dennoch sind Sie – wenn ich den guten Herrn Hingis richtig verstanden habe – nicht Ihres Interesses an der Ägyptologie wegen nach Prag gereist. Zumal es Orte gäbe, die dafür sicher besser geeignet wären …«
    »Auch das

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