Am Ufer (German Edition)
würde meinen, dass damit ein anderer befasst ist. Jedenfalls ist mir klar, dass aus seinem Mund heute Abend der Name Pedrós nicht kommen wird, den er unrettbar mit dem meinen verbunden weiß, weil er die Vorgänge kontrolliert, die Hypotheken, auch das Plazet zu unserem Ruin hat unterschreiben müssen; er schaut aus den Augenwinkeln auf mich, vermittelt mir, dass ich der Zeuge dafür bin, dass er kein böses Wort über Pedrós sagt. Damit das klar ist. Für den Fall der Fälle. Nicht dass man am Ende eine Untersuchung gegen ihn anstrengt, weil er irgendetwas ausgeplaudert hat. Während er redet, denke ich daran, dass ich bei mir zu Hause von der Terrasse aus die unbewegten Kräne über dem halb fertigen Wohnungsblock sehe, an manchen von ihnen hängt eine Schubkarre, und diese Schubkarren sind der Stempel unter die Katastrophe, meine Katastrophe, die Aufgabe meiner Projekte, das Zeichen dafür, dass die Kräne unbenutzt sind und die Firma pleite. Ich sehe die Wohnblocks, zum Teil reine Betonskelette, sonst Ziegel, unverputzt. Ich achte besonders auf jene, die uns gehören – oder gehört haben –, Pedrós und mir. Die Kräne: ein Scherenschnitt am Himmel und daran schaukelnd die Schubkarre, wie ein Selbstmörder an seinem Strick. Ich versuche, das Gespräch auf abstrak tere Dinge zu lenken. Wie für Carlos ist es auch für mich – vor allem für mich – empfehlenswert, Pedrós wegzurücken:
»Es ist schwierig geworden, Aufmerksamkeit zu erlangen. Die eingebildeten Schnösel aus den Schundprogrammen wollen ja auch nichts anderes. Auffallen nicht wegen etwas, das sie tun oder produzieren, sondern um ihrer selbst willen. Das ist dieser schwachsin nige Zirkel, du bist dort, weil man von dir spricht, und man spricht von dir, weil du dort bist, wenn du aber nicht dort bist und nicht gut aussiehst – nach dem gerade aktuellen Kanon –, auch nicht dreistbist, und sich das Riesenrad für dich drehen soll, wegen etwas, das du gemacht hast, du aber nichts Nützliches zustande bringst wie einen Motor erfinden oder eine Impfung gegen den Krebs, dann musst du schon etwas sehr Dickes hinlegen. Ich hab da ein paar Ideen: deine Kinder vergiften, oder sie werden vergewaltigt und zerstückelt; die Frau erstechen und dich von einer Brücke stürzen. Auf diesem Gebiet gehen die Möglichkeiten gegen unendlich, und du bekommst drei oder vier Minuten in der Tagesschau. Die Nachrichtensprecherin sagt mit bekümmerter Miene: Grauenhafter Vatermord, ein neuer Fall von häuslicher Gewalt, wieder ein Gender-Verbrechen, und an dem Tag zeigen sie das Foto aus deinem Personalausweis im Fernsehen. Die Guardia Civil sucht dich, sie durchkämmen die nahen Felder mit Hunden, und wenn der Nachbar dem Reporter sagt, dass er gesehen hat, wie du ins Auto gestiegen bist und losgebraust in Richtung Bergland, dann suchen sie die Geröllhalden ab, steigen in die Höhlen des Montdor; und wenn die Nachrichten am nächsten Tag berichten, dass man dich hinter einem Olivenbaum kauernd gefunden hat oder zerschmettert am Boden einer Schlucht oder im Schatten eines riesigen Johannnisbrotbaumes an einem Strick baumelnd, hast du die Chance, dass wieder ein Foto von dir gezeigt wird. Wenn du nicht Selbstmord machst, sondern dich der Polizei stellst, verdichtet sich die Aura: An dem Tag, wo man dich vor Gericht stellt, erscheinst du erneut auf dem Bildschirm, unsicheren Schrittes, wie betrunken, mit Handschellen und einer Decke über dem Kopf, auf den einer vom Wachpersonal drückt, oder du verbirgst ihn unter einer Windjacke oder einem Motorradhelm. Das erste Mal habe ich das vor vielleicht zwanzig Jahren gesehen, dass man den Kopf auf dem Weg zum Gericht verbirgt: In der Zeitung waren zwei Typen in guten Anzügen abgebildet, die über den Krawatten statt des eigenen Kopfes jeweils einen dicken Stierschädel trugen; es soll sich um zwei amerikanische Drogendealer gehandelt haben, die vor Gericht kamen. Wir saßen unter Kollegen in der Bar und hielten uns den Bauch vor Lachen. Wirbegriffen das nicht. Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, die Typen in Motorradhelmen mit heruntergelassenem Visier oder mit Masken von Batman, Bush oder Rajoy das Gericht betreten zu sehen. Ins Fernsehen kommst du auch, wenn du auf besonders grausame Weise ermordet worden bist: man zerstückelt dich und schickt die Teilchen per Post an deinen Schwager und deine Cousins; oder man findet deinen Schenkel in der Tiefkühltruhe in einem Vorstadtviertel, am Tisch sitzt der Mörder und
Weitere Kostenlose Bücher