Am Ufer (German Edition)
gemacht. Während ich mit Francisco rede, denke ich für mich: Vielleicht war der Koch, den sie in sich trug, derjenige, der mit der Wasserspülung verschwand. Eine Niete, der Erste, der es tatsächlich zum Sohn brachte, also der Zweite aus jener Backstube, für die sie ganz allein verantwortlich war – ich sag’s dir zum letzten Mal: Das hat mit dir nichts zu tun, es ist mein Problem. Lass mich in Ruhe. Du musst da nichts anerkennen, mich auch nirgendwohin begleiten. Das Thema war abgeschlossen – ihre Manufaktur, ihr Uterus. Sie selbst aber saß an jedem runden Tisch, an dem über die Haute cuisine diskutiert wurde, bei den gastronomischen Gipfelkonferenzen, nicht nur hier, sondern auch in Donosti, Barcelona, Kopenhagen und New York. Besonders nachdem unsere Chefin den zweiten Michelin-Stern bekommen hatte, ging die Post ab, ihr Mann würde von einer Rakete sprechen. Die Kochlehrlinge, oder Köche, die ihre Techniken verfeinern wollten, meldeten sich Jahre im Voraus für eine Hospitanz an, die Kinder von schwerreichen Leuten oder von Prominenten aus Kunst und Politik verzehrten sich nach Empfehlungsschreiben für ein Plätzchen am Abwaschbecken im Cristal de Maldón, nur das Bürschlein der Marsal-Gelabert, dem das alles seit der Geburt zu Füßen lag, hasste den Beruf und diese ganze Welt. Millionäre zahlten teuer dafür, dass ihr Sohn dortangenommen wurde und ein aufmerksames Auge auf die Kartoffeln hat, die er schält, die Zwiebel, die er hackt, auf den Müllkübel, den er fortschleppt, und mit dem anderen Auge die begnadeten Hände der Gelabert beobachtet, die der Dekoration des Tellers den letzten Pfiff verleihen, die jede Beilage überprüfen, ein paar Thymianblättchen hinzufügen oder die Backform noch ein paar Sekunden länger unter dem Gebläse lässt, damit das Gratin die ideale Färbung bekommt, das gastronomische Wunder.
»Juanlu hätte werden können, was immer er wollte, ein Adrià, ein Aduriz, oder um von den lokalen Größen zu sprechen, ein Dacosta, allerdings haben die sich das alles erarbeitet, er aber wollte weder arbeiten noch putzen, noch schälen, noch sich von den Ölspritzern aus der Pfanne Blasen holen. Adrià hat beim Militärdienst und nicht auf der Schule in Lausanne Kartoffeln geschält, und alle wissen wir, wie weit er es gebracht hat; Juanlu hätte Sternekoch werden können, er hätte Artikel über Wein und Gastronomie schreiben, an der besten Kochschule in Lausanne studieren können oder bei den Cordon Bleu; bei Besson, Robuchon, Guérard, bei Senderens oder Trama, mit allen stand Leo in Kontakt, mit allen hatte ich schon zehn Jahre zuvor zu tun gehabt, als ich Anfang der Achtziger mit dieser Arbeit anfing. Hier hatte damals noch kaum jemand von diesen Typen gehört; klar, dir sagen die Namen vielleicht nichts, aber für einen Gastronomen ist jeder von ihnen, was der Papst für die Katholiken ist, denn die Gastronomie ist eher polytheistisch, sie hat weder einen einzigen Gott noch einen einzigen Papst: die Küche ist – wie nicht anders möglich – materialistisch, laizistisch, eine föde rale Republik. Sie alle, die kulinarischen Götter, zelebrieren in ihrem jeweiligen Tempel, und alle waren sie meine Freunde, und alle verehrten Leo. Ich bot meinem Sohn ein gemachtes Leben; hätte er, nachdem er durch alle diese Küchen gegangen war, nicht mehr so nah bei uns in Madrid bleiben wollen, hätte er doch nach Tokio, nach Singapur, nach Hongkong, Shanghai oder Dubai gehen und sein Restaurant in einer der aufsteigenden Städte aufmachen können, falls er sichin den klassischen nicht wohlfühlte; andere haben das später gemacht, jetzt haben die Drachen des Ostens die beste Küche, und die Großen der Branche wollen Restaurants in den schlitzäugigen Städten aufmachen, die Küche rennt dorthin, wo das Geld sitzt.«
Eine Marlboro verbrannte zwischen seinen Fingern, die Cohiba hatte er schon seit Langem halb geraucht im Aschenbecher liegen gelassen, er war kurz vorm Heulen: Nicht mit seinem Sohn hatte er Mitleid, sondern mit sich selbst, weil seinen krummen Geschäften keine Kontinuität gegeben war, und das ist schmerzlich, so viele, sagen wir mal, zweifelhafte Dinge gedreht zu haben (der Zweck heiligt die Mittel), um sodann einige machen zu können, auf die man stolz sein kann, und sich dann alles in Nichts auflöst, in andere Hände fällt, verschleudert wird – sehr schmerzlich. Nach Leonors Tod musste das Cristal de Maldón schließen: der Koch ist das Restaurant. Er wollte
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