Am Ufer (German Edition)
einfach nur, weil sie außerhalb dieses Schaltkreises liegen.« Ich sollte mir auf die Zunge beißen, mir die Zunge abbeißen, warum verteidige ich hier diesen Scheißkerl, der mich ruiniert hat, alles um abzulenken, um so etwas zu sagen wie: Er ist kein schlechter Kerl und basta, Themenwechsel, man redet von was anderem. Aber es war nicht nur das. In Wirklichkeit habe ich gegen sie alle geschossen, um ihnen das Maul zu stopfen, Aufsteiger, Arschkriecher, immer auf die nahrhaftesten Beziehungen aus. Von Bernal und Justino weiß ich das. Von dem Sparkassenmännlein kann ich es mir vorstellen. Und bei Francisco gehe ich fest davon aus. Er hat mir nie erzählt, wem er hinterhergelaufen ist, vor wem er hat buckeln oder kriechen müssen, das ist auch nicht nötig. Diese Verbindungen, von denen er spricht, diese Staatssekretäreoder jener Minister, der sich jeden Abend ins Cristal de Maldón setzt und eine gut abgehangene Schnepfe ordert. Schlussendlich kenne ich solche Individuen ja überhaupt nicht, ich habe auch noch nie einen Fuß in die weltläufigen Orte gesetzt, von denen er mir erzählt, mir genügt es, ihn zu kennen.
Justino fügt meinem Beitrag einen Schuss Pessimismus hinzu:
»So einem Typen vertrauen die am allerwenigsten, die von ihm mit Freundschaft bedacht wurden. Wozu will er mich an seiner Seite, wenn ich ihm doch nicht nützlich bin? Ist das vielleicht ein Bumerang?«
Er bückt sich, will etwas aufheben, was ihm auf den Boden gefallen ist, und während er sucht, kriecht sein Hemd hoch, und dort, wo die Hose, die bedecken sollte, aufhört, ist ein Teil einer gespaltenen Kugel zu sehen, düster wie eine Welt ohne Sonne und dunkler noch im Süden wegen der dichter werdenden Haarmatte. Offenherzig zeigt er diese menschliche Landschaft jedes Mal, wenn er sich auf dem Golfplatz bückt: ein beunruhigender Hohlweg zwischen zwei bewaldeten Hängen, der seine Geheimnisse unter dem Hosenstoff verbirgt. Die gespaltene Kugel speichert all die leckeren Lipide, die er in den vielen Jahren des teuren Essens zu sich genommen hat, und die man deshalb unwillkürlich für etwas anderes als die des neuen Spielers hält, der als Ersatz für Bernal an den Tisch gerückt ist, dieweil dieser draußen in sein Handy spricht. Es handelt sich um den kürzlich ernannten Sparkassendirektor, ein junger Mann mit birnenförmigen Leib, den sie aus La Mancha in diese umsatzarme Filiale geschickt haben (er behauptet, auf die von Misent verzichtet zu haben, ha) und dessen farbloses Fleisch – er hat sich noch nicht an das Leben in diesem mediterranen Florida angepasst: Sonne und Bräune am Strand, beim Golf – von dem Kitt Tausender Mehlspeisen zusammengehalten wird, dazu Zehntausende Brötchen mit Schafskäse, Berge von Hülsenfrüchten (er hat es ja selbst gerade gesagt) und Speckscheiben vom keltischen Schwein (kaum Spuren vom iberischen Eichelschinken aus Cumbres Mayores, Guijuelooder Jabugo – demnach hat er sie dieses letzte Jahr, seitdem er zum Filialleiter ernannt wurde, umsonst verspeist). Das Gespräch dreht sich hartnäckig um die verschiedenen Methoden, heutzutage berühmt zu werden, ohne groß was zu investieren. Und ausgerechnet ich bin es, der weiter in dieser Ader gräbt, die für mich günstig ist. Alles, nur nicht Pedrós:
»Die Islamisten haben die effektivste Methode, ins Fernsehen zu kommen. Allerdings erscheint dein Name dabei erst gar nicht. Du bist das anonyme Subjekt einer kollektiven Erzählung, das, was die Erzähler der russischen Revolution anstrebten, das Ideal der großen Utopisten: Man nennt dich Der Selbstmordattentäter, der sich opferte. Jedoch, eine Konzession an den modernen Narzissmus und die Technologie, man kann sich ein paar Stunden zuvor für Youtube vor einem Laken, auf das ein Vers des Koran gepinselt ist, mit einer Maschinenpistole sowjetischer oder amerikanischer, vielleicht auch spanischer Herkunft (alles ist möglich) in den Händen aufnehmen lassen und das Bild einstellen, damit dich die Gefolgsleute der Getreuen des Bluts des geopferten Lamms bewundern.«
Francisco mischt sich ein:
»Ist das mit dem Blut des Lammes nicht jüdisch? Oder christlich? Auf alle Fälle etwas, das unserer Tradition nahesteht. In Misent wird das Kostbare Blut Christi verehrt, das ist das größte religiöse Fest, es heißt wirklich so, Fest des Kostbaren Blutes, und als Beweis für die hämophile Ader des Katholizismus las ich neulich in der Zeitung, dass man Johannes Paul II. vor seinem Tod gewissenhaft ein
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