Am Ufer (German Edition)
groß sind, auch Straßenkehrer werden und genauso angezogen sein, sie hatten noch nicht das Alter erreicht, wo man weiß, was diese Uniform bedeutet, Mama oder Papa wird für Klarheit gesorgt haben: Straßenkehrer, mein Liebling? Aber das ist doch das Schäbigste überhaupt, nein, mein Schatz, du wirst Ingenieur, Straßenplaner, das klingt so ähnlich, ist aber ganz was anderes, oder du wirst Architekt, Sänger, oder gar Fußballspieler wie Ronaldo oder Hollywoodstar wie Brad Pitt. Zu gegebener Zeit würde es dort dasselbe wie mit Aida, der Ältesten, oder Aitor, dem Mittleren, sein. Den Kindern ihrer Klassen haben die Eltern vorausschauend erklärt, was ein Straßenkehrer ist, und dass es Uniformen und Uniformen gibt; wenn dich die in Aitors und Aidas Alter auf der Straße in der Straßenkehrerkluft kommen sehen, dann würden meine Kinder am liebsten im Boden versinken, ich sag das so, es ist aber nicht wirklich wahr: das Mädchen ist, wenn es mich mal auf der Straße gesehen hat, angerannt gekommen, um mir einen Kuss zu geben, obwohl ich mir denken kann, dass es für sie nicht witzig ist, dass die Freundinnen, so albern wie sie jetzt mit vierzehn sind und alle wie Notarstöchter aussehen, auch wenn der Vater als Hilfsarbeiter den Zement mischt (die reichen Mädchen und die halbseidenen gehen auf die Privatschule), dass sie es also nicht witzig finden dürfte, dass die anderen erfahren, dass ihr Vater Straßenkehrer ist, auch wenn die ihren nicht mehr als beschissene Maurergehilfen sind oder Klempner, die den Tag damit verbringen, Dreck aus Röhren und Rohren zu holen; sie, Aida, ist zärtlicher, Aitor trockener, unsensibler, eben ein Junge, aber auch er kam mich begrüßen. Er löste sich von der Gruppe von Trotteln, die auf irgendeiner Bank saßen undetwas ausheckten, selten etwas Gutes, und kam mit hängendem Kopf, um mir einen Kuss zu geben. Und zu Hause sagte er oft: Ich weiß, wer die Palmen ausgerissen hat, Papa, oder wer in den drei Containern Feuer gelegt hat, aber ich kann es dir nicht sagen, das sind echte Arschlöcher, sie zünden Mülltonnen an und Briefkästen, sie scheißen in die Gegend und nehmen das alles, Scheißhaufen inklusive, mit dem Handy auf, und manchmal dachte ich, ob die üblen Typen auf der Parkbank nicht vielleicht zu seinen Freunden gehörten, die saßen da den ganzen Tag mit dem Joint im Kopf und diesem halben Lächeln auf den Lippen, gucken, als ob sie über dich lachten und über jeden, der da vorbeispaziert. Geschämt dafür, Straßenkehrer zu sein, habe ich mich nie. Es handelt sich schließlich um eine notwendige Arbeit, wie sähe denn hier alles aus, wenn nicht ständig Straßenkehrer unterwegs wären. Aber ich lüge, ich habe mich doch geschämt, und zwar als ich sah, wie sich die Arbeitslosen, angeheuert von der Stadtverwaltung, vor der Arbeit drückten, versteckt hinter einer Hecke oder am späten Vormittag in der Bar, Schnapskaffee hin, Schnapskaffee her, woraufhin die Leute sagten, als Straßenkehrer gehen auch nur die Faulsten, die aber lachen nur, als ob nichts wär, das tropft an ihnen ab; die machen am Ende mit dem ersten, der vorbeikommt, noch ihre Witze darüber, wie wenig sie arbeiten. Da habe ich mich geschämt, Straßenkehrer zu sein, das einzige Mal, oder die einzigen Male, denn das war keine seltene Erscheinung. Jetzt machen sie mich noch wütender: Sehe ich sie, steigt mir die Galle hoch, ich mit meiner beschissenen Arbeitslosigkeit, und diese aus dem Arbeitsprogramm saufen herum und machen sich über die anderen lustig. Nein, der Nachteil am Straßenfegerdasein, weshalb ich damit aufgehört habe, war nicht, dass ich mich genierte. Schuld daran war, dass sie uns Stunden gestrichen haben: Wenn es einen Ball gibt oder ein Stadtfest, oder so ein Trinktreffen, dann arbeitet ihr eben schneller, und wenn ihr nicht rechtzeitig fertig werdet, dann ist das euer Problem, ihr werdet schon sehen. Sie gaben dir eine Ohrfeige, und dann musstest du auch noch die Klagen der Leute ertragen, die dir sagten, es sei alles so schmutzig. Aber auch das war nicht so schlimm, schlimm war, dassman mit siebenhundert Euro zurechtkommen sollte. Aber geschämt habe ich mich nicht. Mein Vater: Mann, ich kann mir nicht vorstellen, dass du dich damit abfindest, dass das dein ganzes Leben so gehen soll. Das ist kein Beruf für einen Mann von vierzig Jahren, sagte er. Und ich: Papa, wir leben nicht mehr in deinen Zeiten. Meine Mutter: Lass doch den Jungen. Bis ich es satthatte, wie er mir,
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