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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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irgendeinem schmierigen Kerl besser gefällst als der Neben mann und du eingeteilt wirst, ein kleines Affentheater aufführen, damit er dich als Ersten anguckt. Wie ein Verzweifelter Witze erzählen. Ihm sagen, er habe einen Anis bei dir gut, ausgerechnet demjenigen eine Zigarette anbieten, der das Geld hatte, sich eine Million Anisliköre und eine Million Zigaretten zu leisten. Und Männer sollen das sein, diese Meute von Unnützen, mit denen du dich jetzt in der Bar triffst, alle verbittert, alle mit Renten, die nicht bis zum Monatsende reichen, zieht ihr über den her, der ein wenig den Kopf rausstreckt, und schachert mit dem Kellner, achtet dabei genau darauf, wer eine Runde schmeißt und wer nicht, wer einen Wein für einen Euro und wer einen Cognac für 1,25 getrunken hat. All diese traurigen Gestalten sollen Männer sein? Ihr, die ihr den ganzen Tag damit zubringt, auf das zu achten, was die anderen mit ihrem Leben anfangen, in der Hoffnung, bei dem Gerede über das Leben der anderen zu vergessen, was ihr selbst mit eurem Leben angefangen habt. Du kannst mir schließlich nicht erzählen, dass du dich darum gekümmert hättest, mich für diesen Krieg zu wappnen. Weder mich noch meine Schwester. Nein. Wichtiger als das, was ich tat oder unterließ, war dir das Kartenspielchen, das Essen mit den Freunden am Samstagvormittag, der Anislikör jeden Abend nach der Arbeit. Leck mich doch am Arsch. Ich ernähre meine Kinder und schicke sie zur Schule und werde ihnen die Ausbildung bezahlen, solange ich kann. Du hast mich gleich irgendwohin zum Arbeiten geschickt. Du wolltest das Geld deines vierzehnjährigen Sohnes. Schäm dich. Meine Mutter hatte sich auf mich geworfen, legte mir die Hände vor den Mund, damit ich nicht wei terredete. Ich stieß sie weg: Misch dich nicht ein, das geht dich nichts an. Sie hatte zu weinen begonnen. Sie regelt alles mit Tränen. Dabei wollte ich nur ein wenig mehr verdienen, um weiter so leben zu können, wieich bis dahin gelebt hatte. Und genau da hatte ich das Glück, in die Schreinerei zu kommen. Das glaubte ich zumindest, dass es ein Glück war, dass ich, endlich, eine ruhige und dauerhafte Arbeit haben würde.
    Als ich sie in das Büro bestelle, wissen die anderen vier schon, worüber ich mit ihnen reden will, Álvaro hat es ihnen bereits erzählt, obwohl ich ihn gebeten hatte, es nicht zu tun. Ich wäre gern der Erste, der es ihnen sagt, sie sollen es von mir erfahren, sie sollen nicht meinen, dass ich mich vor ihnen verstecke. Aber in solchen Momenten sind die Pakte gebrochen, nichts verbindet uns, nichts gilt. Jorge ist selbstsicher, kennt seine Fähigkeiten als Schreiner. Ahmed und Julio erwarten nicht viel. Arbeiter, die von der Hand in den Mund leben. Bei Joaquín ahne ich einen inneren Tumult. Aber wie er so vor mir sitzt, die Augen trügerisch weich, gibt er sich ergeben. Du verlangst doch nicht etwa Mitleid von mir, sagt Álvaros Blick; ausgerechnet er, der sich als alt bezeichnet hat, um mir ein schlechtes Gewissen zu machen, verweigert mir sein Mitgefühl: Du willst doch nicht etwa, dass ich dir auch noch helfe, hatte er sich beklagt, als ich ihn darum bat, die Sache ein paar Tage geheim zu halten, und jetzt am Morgen, wo wir zusammen im verglasten Büro sitzen, stülpt er wieder die Lippen vor und schnalzt Speichel mit der Zunge. Wieder so, als wolle er spucken. Mich anspucken. Sicherlich hat er, als er die anderen vorwarnte, das getan, was er in der Logik des Arbeitslebens hatte tun müssen: zu seinen Kollegen stehen, Solidarität der Arbeiterklasse; aber mit ihm habe ich schließlich vierzig Jahre verbracht, Hunderte von Male morgens im Gras des Marjals gesessen und gefrühstückt; mit ihm – wieder spielt das Endlosband in meinem Kopf ab – habe ich samstags heimlich gefischt und gejagt; nur die letzten Monate bin ich mit Ahmed gegangen, weil Álvaro Verpflichtungen als Vater und Großvater vorschob, Einladungen, das erzählte er mir – nichts als Ausreden, Lügen, seine Kinder kommen kaum noch zu ihnen, wie mir seine Frau mal kummervoll sagte –, und all diese Tage, die wir gemeinsam verbracht haben, sindplötzlich weggewischt, nur die Erinnerung daran ist noch da und plagt mich. Er sagte: Das kannst du mir doch jetzt nicht antun, wo mir nur noch knapp vier Jahre bis zur Rente fehlen. Weißt du eigentlich, was du bist? Der Kerl scheint davon überzeugt zu sein, dass ich alles verloren habe, nur um ihn zu ärgern, um ihm das
anzutun
, was ich ihm angetan habe. Er

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