Am Ufer (German Edition)
atmen, sich zu bewegen, zu leben beginnt. Die Leere, die in der Frau zurückbleibt, ist der Anfang von etwas, ein aktiver Verzicht, während ich ein Ende erlebe: die Bretter gestapelt, die Maschinen stehen still, die Werkstatt in Schweigen, ich habe sie weiter im Blick, auch wenn ich sie nicht mehr betreten kann, weil sie die Türen verplombt haben, damit ich das Material nicht fortschaffe, als ob man dahin, wo ich gehe, eine Ladung Bretter mitnehmenkönnte. Ich konnte nicht runter in die Werkstatt, es war mir egal, ich schloss die Augen und sah alles vor mir, nicht nur die Maschinen, die Ausstattung, das verglaste Büro, zu dem man über eine Trittleiter gelangt, die Aktenregale und der vom Großvater, dem Kunsttischler, oder dem Vater, dem Schreiner, der Bildhauer werden wollte, gefertigte Tisch, ich habe nie wirklich gewusst, wer den nun geschnitzt hat und warum das ein Geheimnis blieb. Ich sah jedes gelagerte Stück, jedes Brett, dieses verdammte fotografische Gedächtnis, das mir all diese Jahre geholfen hat, in dem Verhau der Werkstatt das Richtige zu finden, und mir jetzt dabei hilft, mich unglücklich zu fühlen. Und all das, was ich sehe, kommt nicht aus mir heraus, um es dem Leben zu übergeben, sondern um es zu begraben. Nachdem man sie benutzt hat, werden die Nutten von der Landstraße zurück zum Straßengraben gebracht. Wenn ein Fahrer sie wieder abgesetzt hat, stehen sie erneut als Lustgeberin zur Verfügung, damit sich die Autofahrer erleichtern können, die ihren Wagen, ihren Kleintransporter zwischen dem Schilf parken, halb verborgene Fahrzeuge, das Kennzeichen von Grün verdeckt, damit die Nachbarn es nicht erkennen können. Wenn jemand dich an der Landstraße beim Feilschen beobachtet, dann heißt das, dass er dich als Weggefährten im letzten Kreis der Hölle akzeptiert, ein Typ, der seine Gelüste nicht im Griff hat – oder, schlimmer noch, ein Unglückseliger, der sein Geld nicht im Griff hat, der nicht genug hat, um sich etwas Besseres zu leisten –, dazu verdammt, sich eine der vielen ansteckenden Krankheiten einzufangen, die jene Frauen übertragen. Und was ist eine Firmenpleite sonst, wenn nicht eine Krankheit, die ohne jeden Nutzen weitergetragen wird. Kunden und Zulieferer tun so, als hätten sie nie etwas mit der Firma zu tun gehabt, verbergen die Geschäftsbeziehung, weil schon der Verdacht auf Kontakt ansteckt: Rechnungen und Schuldscheine auf ihren Namen ausgeschrieben zu haben, Lieferscheine zu besitzen, Wechsel ausgetauscht und Materialien geliefert zu haben, all das macht dich verdächtig. Aber ich rede von der Firma, dabei könnte ich vonmir reden: Wie viele Jahre sind es nun schon, die ich hier am Arsch der Welt abhänge? Ich hebe die richterlichen Plomben ab, reiße die orangenen Klebebänder ab, die drei oder vier Kreuze über der Tür bilden, die von der Wohnung zur Werkstatt führt, weg damit, ich betrachte erneut die Werkstatt, die Maschinen, die Bretter. Ich setze mich an den Tisch im kleinen Büro oder auf einen der Hocker in der Arbeitshalle und sehe mich umringt von all diesen Materialien, die wie ich Leichen sind, unnütz in ihrer Verlassenheit, und im Begriff, den Prozess der Entwertung und Beschädigung zu durchlaufen. Sie werden zu einem Spottpreis bei der nächsten Versteigerung angeboten werden und wahrscheinlich nicht einmal einen Käufer finden. Die Instabilität der Dinge, die Leere der Worte: Ja, Don Esteban, der Älteste würde nur Hamburger essen, und das zu jeder Tageszeit, und er will die von mir haben. Ich verweigere sie ihm, weiß aber, dass er sie sich so oder so von dem Geld kauft, das ich ihm für seine Ausgaben gebe, obwohl ich ihn da knapphalte, sie ihm verbiete, weil er zu dick ist und mit zwölf Jahren fast so viel wiegt wie der faule Sack von seinem Vater, er leidet an Fettleibigkeit, und Sie wissen ja, die können einem das Kind deshalb wegnehmen, wenn die Lehrer das anzeigen; die Kleinen wollen nichts als Pizza, Spaghetti und Makkaroni, wissen Sie, warum die Kinder so gerne Pasta essen? Aber wie sollen Sie das wissen, Sie haben ja keine Kinder. Sie sagt: Sie haben ja keine Kinder, als sei ich ein träges Haustier, unfähig, Schmerz oder Lust zuzufügen; und das Gefühl des Mangelhaften, das Lilianas Worte in mir hervorrufen, lädt Leonor erneut die Schuld auf, von der sie der Tod hätte befreien müssen. Vom Zimmermann erwartet man ein friedfertiges Gemüt, der gehörnte Joseph; die anderen machen Geschäfte, haben Stress, schmutzige Arbeit in
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