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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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über fünfundvierzig sein, aber in der Bluse siehst du den Ansatz dieser festen, hoch sitzenden Titten, vielleicht silikongestützt, das mag sein, aber sie sehen wie die einer Zwanzigjährigen aus; und sie steckt in Jeans, die einen Apfelhintern zusammenpressen, der zum Anbeißen ist.«
    Ich:
    »So viele Zähne hast du doch nicht mehr.«
    »Von meinen eigenen ist kein einziger geblieben, aber über die Implantate kann ich nicht klagen. Die haben mich in die Jugend zurückkatapultiert. Ich muss aufpassen, denn ich kann beim Beißen nicht den Druck abschätzen und tue ihnen weh.«
    »In was beißt du da? Und bei wem beißt du, was du beißt?«
    Noch mehr Gelächter.
    Jetzt gilt es ein weiteres Fragment der verkappten – und verfälschten – Autobiografie von Francisco zu hören:
    »Die Frauen sind immer der Hauptstörfaktor für einen Mann.« Ich bin sicher, dass er das nicht von Leonor denkt, sie war nicht gerade ein Störfaktor in seinem Leben. Ohne sie hätte er wohl kaum den zweiten Teil der Erfolgsleiter geschafft. »Eine Bremse. Wenn du dich so richtig verliebst, bist du verloren.«
    In wen hat er sich denn verliebt, um sich verloren zu fühlen? Hat er sich verliebt, während er mit Leonor zusammenlebte? Hat er sich nach ihrem Tod verliebt? Damit meine ich nicht, dass er, wie die Figuren in den Geschichten von Poe, in eine Leiche verliebt war, sondern, ob er sich in eine andere verliebt hat, als Leonor schon tot war oder als sie noch lebte, oder hat er sich erst kürzlich verliebt? Bekommt er, wenn er sich nachts in sein Haus einsperrt, Anrufe von dieser Frau, geraten sie am Telefon in Erregung, lädt er sie an denTagen, wenn er aus Olba verschwindet und ich die Fensterläden im Haus der Civaras geschlossen sehe, auf seine Jacht ein, oder verkriechen sie sich wochenlang im Haus? Ob er je wirklich in Leonor verliebt war, weiß ich nicht, die Ehe kam ihm zustatten – kam ihnen beiden zustatten –, er hat sie benutzt – sie haben einander benutzt –, der Haushaltsökonomie, dem gesellschaftlichen Leben, der Eugenik: Obwohl der Junge nicht so geworden ist, wie sie es sich wünschten, können sie wahrlich nicht jammern über die Tochter, die ihm folgte, sie ist ein Ass in Volkswirtschaft. Francisco sagt, dass er ihre Abneigung spürt, aber ich glaube, sie ist einfach so schlau, nicht das Wort an ihn zu richten, um nicht angelabert zu werden. Leonor und er haben gemeinsam Geschäfte gemacht wie Tomás und Amparo auch: zwischen denen gibt es Sex (ich weiß es, und man sieht es ihnen auch an), es gibt da Gemeinsamkeiten, Laster, Lust am Luxus, und auch ein bisschen geteilte Drogen: Pedrós gehört zu denen, die sich beim Reden an die Nase fassen, sie wahrscheinlich auch, ich weiß nicht, aber ich glaube, sie ist eine von denen, die es sich auf dem Spiegelchen anrichten lässt und es dann widerstrebend nimmt, nur um keine Spielverderberin zu sein, aber wenn das Zeug nicht auf den Tisch kommt, dann erwähnt sie es schon, mal sehen, ob sich einer traut, das rauszuholen, was er dabeihat. Und sie haben gemeinsam Geld angehäuft, was das Übrige aufrechterhalten hat; bei Francisco und Leonor kann ich mir keine gemeinsamen Laster vorstellen, ich hatte immer den Eindruck, dass die für ihn eine andere, geheime Welt waren, aber wer weiß das schon. Und sie?
    Bernal mischt sich ein, er fummelt nicht mehr am Handy rum, hat aber den letzten Teil des Gesprächs verpasst:
    »Es ist nicht leicht, in eine Frau verliebt zu sein und etwas Vernünftiges zustande zu bringen. Das Verlangen zehrt an dir. Es empfiehlt sich nicht, eine Frau zu suchen, die nur unter Mühen zu erobern ist, damit verdammst du dich bis zum Ende deiner Tage dazu, Tag für Tag den Mount Everest zu ersteigen. Du musst dich an solchehalten, die du ohne viel Kampf halten kannst. Für die steilen Frauen zahlt man. Für ein paar Euro bekommst du eine achtzehnjährige Russin, wie du sie nicht einmal im Film siehst. Du vögelst, zahlst und gehst heim zum Abendessen mit der Familie, zu deiner Frau, die gut kocht und schlecht vögelt, aber nicht daran denkt, sich von dir zu trennen, schon weil keiner ihr allzu interessiert nachschaut. Sie geht zu den Elternabenden der Schule, bedient die verschiedenen Elternvereinigungen, diese Dienste, dieser Jargon, das sozialdemokratische Gewäsch, das die Konservativen andächtig nach beten, weil es nach modernem, verantwortungsvollem Familien glück klingt, zugleich aber auch ein bisschen nach Opus Dei; sie hält die Kinder im

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