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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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einer Fabrik, gefährliche Arbeit auf einer Baustelle, aufregende Arbeit an einem Buffet, und meinen, das Schreinerhandwerk sei ein harmloser Beruf, die Sonne vergoldet das in der Luft schwebende Sägemehl, ein goldener Filter, golden die Späne, die man mit dem Gravierstichel herauslöst, der Geruch des Holzes,so gefällig, beruhigend, der Duft der Kiefer, der Libanonzeder, Harzgeruch, selbst der Geruch des Leims ist angenehm für die Nase: alles Lügen, Klischees. Selbst die schlimmsten Unfälle in einer Schreinerei erscheinen noch relativ gutartig, nichts im Vergleich zu jenen Lastwagenfahrern, die wie eine Speckscheibe zwischen dem Blech der brennenden Fahrerkabine verbrutzeln; zu den Maurern, die von einem zwanzig Meter hohen Gerüst stürzen und dann auf dem Bürgersteig liegen, der Kopf aufgeplatzt wie eine Melone; zu den Stahlkochern, die tragischerweise in einem Stahlabstich verschwinden. Bei uns handelt es sich um eine Fingerkuppe, die der Säge zum Opfer fällt, um einen unter dem Hammer zerquetschten Fingernagel, kleine Verletzungen, die du in einem häuslichen Krieg davonträgst und die sogar noch dazu beitragen, dein Bild eines friedlichen Mannes, gestählt von ehrbarer Arbeit, zu festigen, als gelte für dich nicht das universelle Gebot, das da heißt, du sollst nicht töten, weil du zu einer solchen Tat gar nicht befähigt bist.
    Ich lasse ein Pik-Ass auf den Tisch fallen und fahre den Arm aus, um die auf dem kleinen grünen Tuch in der Mitte des Tisches verstreuten Karten einzusammeln, und bei dieser Bewegung streift meine Hand die von Francisco. Die unmerkliche Berührung bringt mir das Bild. Im dunklen Kino knabbert Leonor an meinem Ohr, leckt es, steckt die Zungenspitze hinein, ein warmer, angespannter Drillbohrer, der da drinnen wie verstärkt klingt, eine Mischung aus Murmeln und Schnalzen. Die bewegliche, feuchte Wärme kitzelt den Knorpel, und diese bebende Empfindung, heiß und klebrig, löst im Rest des Körpers eine Art Schauder aus und nimmt mir den Atem, oder, um genauer zu sein, sie hebt mir den Schwanz, aber es stimmt, ich atme stoßweise, wie eine Lokomotive. Francisco lacht über seine eigenen Worte, was hat er gesagt, als er seine zwei letzten Karten auf den Tisch knallte? Ich hab es nicht gehört. Er gibt sich geschlagen. Heute Nachmittag gibt er sich ungewohnt offen. Üblicherweise vermeidet er beim Kritisieren die Eigennamen, er sagt: der da,sagt: er. Er lässt dem Zuhörer, dem er das Gift injiziert hat, eine vermeintliche Freiheit der Deutung. Er schiebt ihm die Schuld zu: Wer zuhört, setzt den Namen, das Gesicht ein, er ist derjenige, der Schlechtes denkt, der Verräter. Francisco beschränkt sich darauf, Indizien zu streuen. Vorsorglich, wie man im Auto den Sicherheitsgurt anlegt. Oder als spräche er im Wissen, dass jemand ein Tonband angestellt oder eine Wanze in das kleine Loch im Stuck oder unter dem Tisch platziert hat. Diese Vorsichtsmaßnahmen beim Sprechen dürfte er bei den Kursen der JOC oder der JEC erlernt haben.
    Justino kehrt beharrlich zu dem Leitmotiv zurück, dem ich entfliehen will:
    »Das Problem von Tomás ist immer seine Frau gewesen. Auch wenn man das von jedem von uns sagen könnte.«
    Und mit einer nachdenklichen Geste, so als sei er gerade auf etwas gekommen und überlege, was genau das ist, beginnt er aufzuzählen:
    »Die Villa auf der Steilküste am Kap, mit diesem über dem Meer hängenden Schwimmbad, das hat sie ein Vermögen gekostet, die Designer-Möbel, die Klamotten von Gucci und Prada. Das denke ich mir jetzt nicht aus, sie erzählt das alles.«
    »Dir? Amparo erzählt dir, dass sie Modelle von Prada trägt? Zahlst du die etwa?« Das war Bernal.
    Wieder Gelächter.
    »Mir nicht, natürlich erzählt sie das nicht mir, weil ich mit ihr nicht über Klamotten rede (würde ich gerne, aber sie mag nicht), aber meiner Frau erzählt sie schon davon, bei ihr lässt sie so etwas fallen, und die könnte in jedem Ratespiel über den genauen Preis von solchem Klimbim gewinnen. Du weißt ja, Frauen unter sich, da sehen sie eine Bluse bei einer Passantin, und gleich heißt es: Minuccia, Seide, 320 Euro, bei Vanités, Avenida Orts, Misent. Oder: Marqués de Dos Aguas, Valencia; oder: Madisonaveniu Nuyor. Ha! Und die Schuhe sind falsche Blahniks, 150 Euro. Haargenau wie dieBlahniks, und, fragst du mich, sogar besser verarbeitet. Aber falsch wie Judas.«

Bernal:
    »Er ist verrückt nach ihr, und sie durfte aus dem Vollen schöpfen.«
    Justino:
    »Sie muss

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