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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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gemeinsamen Geschäfte oder die zu zweit unterschriebenen Wechsel. Du beantragst einen Kredit auf zwanzig Jahre und sicherst damit deine Ehe für ein halbes Leben. Das ist die wahre Liebe, nicht die Worte, die der Wind verweht. Worte nimmt die Bank für ihre Safes nicht an, man kann sich auch nichts dafür kaufen, sie nicht einmal versetzen.«
    Justino:
    »Wenn die Dinge schlecht laufen, geht alles den Bach runter.Stimmt schon mit dem Sprichwort: Wo kein Brot, ist alles tot. Das Wasser des Elends führt zu Kurzschlüssen im elektrischen System der Leidenschaft, Mann, da ist mir aber ein Satz gelungen – wie aus einem alten Roman oder einem klugen Essay! Du als Schriftsteller solltest ihn dir notieren, Francisco. Wer weiß, was da alles zusammenkommt –, zwischen Mann und Frau soll (und kann) sich keiner stecken, nicht einmal der Geliebte hat Zugang zu den Geheimnissen, die Ehepaare in ihren Schlafzimmern hüten, da ist der Nachttisch mit den Familienfotos, der Wecker, die Schächtelchen mit den Stöpseln fürs Ohr und den Tampons für die Möse, die Gleitcreme, da sind Jahre von gesammelten Gewohnheiten, Ticks, du hörst die Version von ihm oder die von ihr, weißt nicht, worauf es wirklich ankommt, was sie einander schuldig sind, wie es ums Budget bestellt ist, wo der Geldschrank ist und wer die Schlüssel dazu hat; du erfährst nicht, was er vielleicht auf sie oder ihren Vater überschrieben hat, oder auf den Namen der unverheirateten Tante, die über jeden Zweifel erhaben ist, das werden sie dir nicht erzählen, selbst wenn sie wie Katz und Hund zueinander sind, ich weiß, oder ich glaube zu wissen, dass sie Gütertrennung vereinbart haben. Du kannst dir ziemlich sicher sein, dass die Pleite nichts als Tarnung ist.« Er redet so, als wäre er, was er angeblich auch ist, ein abgehalfterter Liebhaber von Amparo.
    Francisco:
    »Es ist ja klar, dass die einzigen glücklichen Ehen die Vernunftehen sind, sie laufen gut geschmiert, kein Sand im Getriebe, jeder ist sich dessen bewusst, dass er in seinen Bestrebungen auch dank der Verbindung mit dem anderen vorankommt. Es macht Spaß, solchen Ehepartnern, die das Prinzip kapiert haben (Ehe=GmbH), bei der Teamarbeit zuzusehen, sie verwirklichen sich in der Gesellschaft, einer stützt sich auf den anderen, kein Riss, keine Brüche, jeder von ihnen spezialisiert sich auf einen anderen Sektor, um die maximale Rendite aus ihrer Investition zu ziehen, denn sie wissen, was der eine erreicht, nützt allen beiden. Streit in der Öffentlichkeit, Uneinigkeiten,angekündigte Trennung lassen die Aktien an der Gesellschaftsbörse fallen und schaden dem Haushaltsbudget, man muss diese ganze Scheiße vermeiden, die von jungen Leuten und anderen Schwachköpfen gepredigt wird, weil sie nicht kapieren, dass eine Wertminderung die Folge ist. Sie glauben an Liebe und Lieblosigkeit, an Verrat und Eifersucht, merken dabei nicht, dass, sobald man das, was Romane und Kitschblätter unbedingt Liebe nennen müssen, mit hineinmischt, alles zum Teufel geht. Kaputt. Ende der Ruhe. Wenn einer sagt, ich werde dich immer lieben, dann heißt das: Die Chose hat ein Leck. Der Bergsteiger kann nicht auf dem Gipfel hocken bleiben, den er erobert hat. Du bist schon am höchsten Punkt. Was dann? Du weißt, dass es jetzt an den Abstieg geht, du dir einen neuen K-Achttausender zum Erobern suchen musst. Die frisch verheiratete Nachbarin, die Kollegin im Büro, die dir zuvor noch gar nicht aufgefallen war, werden zu neuen
targets.
Das ist bei allen Dingen so. Das Feuer zerstört sie. So wie die Twin Towers. Sie schmolzen. Bei hoher Temperatur ist die Brühe im Topf schnell dahin, und das Gericht, das du mit so viel Vorfreude zubereitet hast, brennt an. Glut ist nur dazu gut, Dinge verkohlen zu lassen. Die Verliebten selbst haben es, wenn sie wirkliche Leidenschaft verspüren, eilig, diese Qual loszuwerden, und tun ihr Möglichstes, sich davon zu befreien. Sie treiben es auf die Spitze. Damit eine Ehe hält, muss man sich nicht ewige Liebe schwören. Statt dem Prasseln der Leidenschaft ein gemessenes egoistisches Köcheln bei mittlerer Hitze.«
    Francisco erzählt mir – ganz ohne Absicht – wie seine Ehe mit Leonor funktioniert hat, Justino aber, ungeachtet seines radikalen Misstrauens in die Menschheit, ja in die gesamte göttliche Schöpfung – er gehört zu jenen, die, wenn sie einen Finken hören, schnell das Fenster schließen, weil sie meinen, das Kreischen einer brünstigen Ratte vernommen zu haben –,

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