Am Ufer (German Edition)
herauszuholen. Das hieße, ans Eingemachte zu gehen. Geschäfte, die man sich reiflich überlegen, mit dem Steuerberater absprechen, evaluieren muss. Das sind launische alte Leutchen, klar, aber von Blödheit keine Spur, sie zahlen für das Spielzeug, aber auch nur Spielzeugpreise. Sie haben genau die nötige Summe fließen lassen, damit sich nicht Unachtsamkeit breitmacht, sie haben investiert (wie immer, wie alle) und hatten dabei den eigenen Vorteil im Sinn (dass sich ihnen in der Gemeinde die Türen öffnen). Seit Jahrhunderten wissen wir, dass es keinen Reichen gibt, der großzügig wäre, die Großzügigen erleiden Schiffbruch, bevor sie reich sind, sie machen ihre Schwimmzüge, ihre Zeichen hin zur Küste, eine Zeit lang, und dann ertrinken sie. Ihre Leichen verschwinden für immer, begraben im Meer der Ökonomie, oder im Meer des Lebens, was aufs Gleiche hinausläuft. Sie sterben in Armut.«
Francisco:
»Wenige Tage vor seinem Verschwinden hat Pedrós mir noch etwas vorgeweint. Nicht ein Exzess an Ausgaben, wie die Leute sagen, sondern der Mangel an Einkünften hat mir den Rest gegeben, sagte er, ich schwöre es auf meine Tochter, und die ist mir das Liebste auf der Welt. Ich mache seit Monaten keinen mehr drauf, gehe in keinen Nuttenclub, leiste mir keinen One-Night-Stand. Ich schwör’s dir. Ich habe Geld ausgegeben, solange ich es hatte, solange ich es mir erlauben konnte. Jetzt hat alles die Katz gefressen. Immer nur zahlen: für Materialien, für Gehälter, für, wieso nicht, Öffentlichkeitsarbeit, und nichts hereinbekommen. Zahlen und nicht bezahlt werden, das war das Problem. Jedem, der dir etwas anderes erzählt, sagst du, das ist gelogen. Es hat nicht nur mich erwischt. Weißt du, wie viele Unternehmen hier im Landkreis verschwunden sind? Nicht etwa Firmen, die geschlossen haben, sondern solche, die sich in Luft aufgelöst haben, verschwundene Firmen: Man geht zu deren Büro, um die Zahlung einzufordern, und das Büro ist nicht mehr da, nicht dass es geschlossen wäre, nein, die Schaufenster sind leer,da liegen Kisten und Papiere am Boden, und wenn du herauszubekommen versuchst, wer der Firmenbesitzer ist (oder war oder gewesen ist), stellt sich heraus, dass niemand Bescheid weiß. Und der Kerl, der mit dir verhandelt hat, der die Quittung unterschrieben hat, besitzt tatsächlich keinerlei Verfügungsgewalt, er wurde nicht einmal in dieser Gesellschaft geführt. Das ist das Schlimmste. Du hast Gespenster aus einer anderen Welt beliefert. Ich bin nicht der Einzige, der pleitegegangen ist, sagte mir der weinerliche Tomás, Fajardo hat zugemacht, der mit den Baumaterialien in Misent; und der vom anderen Lager, Magraner, hat die Hälfte seiner Leute rausgeschmissen und steht kurz davor zu schließen. Ich weiß das aus guter Quelle. Und Sanchis, der Möbelhändler, und Vidal, der mit den Jalousien. Auch Ribes. Und Pastor, der jetzt als Maurer unterwegs ist, auf Abruf. Alle Männer, die bei ihm waren, also mehr als fünfzig, sind arbeitslos. Und die Fajardos haben ihre Ware versteigert und nicht mehr als Kleingeld dafür bekommen (wer will in diesen Zeiten schon Baumaterialien oder Baumaschinen, einen Löffelbagger, einen Kran), sie haben so viele ausbezahlt wie möglich und dann dichtgemacht. Und Rodenas ist zurück nach Jaén oder Ciudad Real und erntet jetzt Oliven zusammen mit Marokkis, Rumänen und Polen, stell dir das mal vor, ein Bauunternehmer Seit’ an Seit’ mit der letzten Generation von Emigranten, Gesindel, andalusische Wintermorgen, die Finger eisig, Frostbeulen.«
Während Francisco spricht, dabei die ganze Zeit an mir vorbeischaut – was bedeutet, dass Pedrós mich in jenem Gespräch unter den Opfern jenes kaskadenartigen Absturzes genannt hat –, geht mir durch den Kopf, dass wir, wenn hier Dschungel wäre, sehen könnten, wie die Lianen an den Schaufenstern der geschlossenen Geschäfte hochkriechen, an den Mauern der verlassenen Apartmentblocks, und wie diese Pflanzenmasse die leeren Penthäuser überwuchern würde. Die verlorene Stadt, wie in jenen Abenteuerfilmen, die wir als Kinder so gern sahen. Du läufst Tag um Tag durch den Urwald, und plötzlich stößt du auf eine riesige, mit Laubund Unkraut überwucherte Stadt, Tempel, Statuen, vergrabene Juwelen. Fantasien von Jules Verne oder Salgari.
Mein Freund schließt seinen Auftritt ab:
»Ich weiß nicht, was aus all dem wird, sagte der gute Pedrós, ob die Krise überwunden wird oder nicht, aber für dich, Francisco, und
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